Die Schwesternschaft
geht?«
Der erste Polizist sah seinen Kollegen an, der die Hände hob, als habe er mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun. »Die Ãrzte sagen, das Schlimmste sei überstanden«, erklärte er schlieÃlich.
»Kann ich ihn sehen?«
»Tut mir leid«, erwiderte der Polizist. »Herr Rotchko steht momentan unter unserem Schutz, so lange bis die Umstände, unter denen es zu den ⦠Widrigkeiten auf Lambay Island gekommen ist, geklärt sind â¦Â«
»Wer ihn sehen will, braucht eine Genehmigung«, erläuterte der zweite Polizist knapp.
Nadja drehte sich zu ihm um und sah ihn an: »Das hilft uns weiter«, sagte sie, ohne sich von der Stelle zu rühren. »Rufen Sie bitte sofort Chefinspektor Goonan an.«
Die beiden tauschten erstaunte Blicke. Der Erste zog sein Handy hervor und wählte eine Nummer. »Bridget, verbinde mich bitte mit dem Chef. Es ist dringend â¦Â«
Er wartete einige Sekunden, dann begann er: »Chefinspektor, hier ist eine gewisse Nadja Derzhavin. Sie besteht darauf, den Verletzten zu sehen, aber selbstverständlich haben wir â¦Â«
Der Polizist brach abrupt ab, und Nadja glaubte, am anderen Ende der Leitung eine ganze Tirade von Schimpfwörtern zu hören.
Es vergingen einige Augenblicke, ehe der Polizist entgegnen konnte: »Ja natürlich, ich habe verstanden ⦠Natürlich ⦠Ich werde mich im Namen der Garde entschuldigen, wie Sie es verlangen. In Ordnung.«
Er beendete das Gespräch und wandte sich dann mit hochrotem Kopf an Nadja. »Es tut mir aufrichtig leid, Miss Derzhavin. Ich entschuldige mich hiermit auch im Namen von Chefinspektor Goonan und der gesamten irischen Polizei. Man hatte mir nicht gesagt, dass Sie â¦Â«
»Kein Problem«, beruhigte ihn Nadja. »Ganz im Gegenteil. Ich danke Ihnen vielmals, Herr â¦Â«
»⦠Mallory, Miss Derzhavin. Polizeimeister Mallory.«
»Darf ich jetzt hineingehen?«
»Natürlich, Miss. Lassen Sie mich nur einen kurzen Blick in Ihre Tasche werfen. Wirklich eine reine Formsache â¦Â«, erwiderte er, wobei er auf die groÃe blaue Umhängetasche deutete.
Nadja hielt ihm, wie beim Zoll, die geöffnete Tasche hin.
Der Polizist warf einen raschen Blick hinein, ohne etwas zu berühren. Er wirkte sehr verlegen, als er, auf etwas in der Tasche deutend, fragte: »Verzeihen Sie, Miss ⦠dieses weiÃe Päckchen?«
»Es enthält eine Blume. Sie können sie gerne ansehen.«
»Aber nein doch. Bitte, gehen Sie nur hinein.« Dann trat er mit dem Höchstmaà an Liebenswürdigkeit, zu dem ein Dubliner Polizist befähigt ist, zur Seite, verneigte sich unbeholfen und lieà sich erschöpft auf seinen Stuhl fallen.
Nadja betrat den Raum. Kirill lag in dem zur Tür gelegenen Bett. Das zweite vor dem Fenster war leer. Sie lief langsam, um keine Geräusche zu verursachen, denn er schien zu schlafen.
Neben dem Bett blieb sie stehen und betrachtete ihn lange. Dabei versuchte sie, den medizinischen Blick von ihren Gefühlen zu trennen, was nicht einfach war.
Kirills Atem wurde von einem gleichmäÃigen, tiefen Röcheln begleitet. Er war noch immer an das Sauerstoffgerät angeschlossen und hing mit dem linken Arm am Tropf. Ein kurzer Blick auf die Etiketten der aufgehängten Flaschen genügte Nadja, um zu wissen, was er verabreicht bekam: isotonische Kochsalzlösung, Antibiotika und Schmerzmittel. Von der Bettkante hing ein Drainagebeutel. Der Sibirier sah blass und abgezehrt aus. Nur verständlich angesichts eines derart schweren chirurgischen Eingriffs, der noch dazu erst wenige Stunden zurücklag, versuchte sie sich zu beruhigen.
Seine Stimme lieà sie zusammenzucken. »Hallo Nadja â¦Â«, murmelte er in leisem, aber verständlichem Ton.
Aufgeregt trat sie näher an die Bettkante: »Hallo Kirill, wie fühlst du dich?«
Er antwortete erst nach einer Weile: »Es ist sehr schlimm, sich weder bewegen noch verteidigen zu können.«
Nadja beugte sich leicht über ihn: »Du wirst Tag und Nacht bewacht. Und Lena ist tot.«
Kirill rührte sich nicht, hielt die Augenlider halb geschlossen.
Nadja spürte ihr Handy vibrieren. Sie hatte den Ton abgestellt. »Es ist Papa«, sagte sie nach einem Blick auf das Display.
»Hallo Papa.«
»Hallo Nadja.«
»Wie geht es dir?«
»Immer besser. Und dir?«
»Mir auch.«
»Und
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