Die Schwesternschaft
Männer in Schwarz bemühte sich, den Körper der Frau von dem Stromkabel zu entfernen, aber er bekam einen heftigen Schlag, der einen erneuten Funkenregen verursachte.
Dann, endlich, ging alles aus.
Die Szene wurde nur noch von den schwachen Flämmchen auf Xandras Haar beleuchtet. Ihr Kopf war auf die Brust gesunken, und aus ihrem Mund sickerte weiÃer, dampfender Schaum.
Die Notbeleuchtung ging an. Am Set herrschte eine unwirkliche Stille.
Der ausführende Produzent Stanislav Sabitov betrachtete entsetzt den Ort des Geschehens. Die drei Aliens hatten sich die Latex-Masken von den Gesichtern gerissen, die durch die Hitze zu schmelzen begannen.
Es dauerte über eine Minute, bis man die Schauspielerin von den Handschellen, mit denen sie an das Kabel gefesselt war, befreit hatte. Der schwarz gekleidete Mann verbrannte sich beim Kontakt mit dem glühenden Körper der Frau die Hände. Ohne sich darum zu kümmern, nahm er sie in die Arme und legte sie sanft auf dem Boden des Studios ab.
Eine schweigende Gruppe von etwa dreiÃig Personen trat langsam näher und umringte den Körper der Hauptdarstellerin von Kommissarin Xandra und der Nebel des Fünften Quadranten â ein Film, der im kommenden Sommer, zur Freude Zehntausender Fans von Catherine Derzhavin, in allen russischen Kinos laufen sollte.
Die beiden zum Team gehörenden Ãrzte bahnten sich einen Weg durch die Menge.
»Wo ist dieser Hurensohn für die Spezialeffekte? Ich will Karjaka sehen, schafft ihn sofort her!«, schrie Sabitov. Er zitterte und war vollkommen auÃer sich.
Nach ein paar Wiederbelebungsversuchen schüttelte einer der beiden Ãrzte den Kopf.
Regisseur Denis Kombarov, die neue Hoffnung des russischen Kinos, traute seinen Augen nicht. Von diesem Tag an würde ihm nie mehr irgendjemand eine Arbeit anvertrauen. Aber das war nicht der eigentliche Grund seiner Sorge, sondern vielmehr die Tatsache, dass Gavril Derzhavins Frau bei seinem Dreh ums Leben gekommen war. Er zögerte, ob er gleich fliehen oder gehorsam darauf warten sollte, bis ihn jemand in ein schmutziges Kellerloch zerren würde, um ihn zu foltern und in Stücke zu zerreiÃen.
Die beiden Männer in Schwarz â der eine hatte sich noch immer nicht ganz von dem Stromschlag erholt â schienen ebenso betroffen wie er. Sie hätten für Catherines Unversehrtheit sorgen sollen und waren gescheitert. Auch für sie würde das ziemlich unangenehme Folgen haben.
Niedergeschlagen verlieà der Regisseur das Studio und steuerte auf seinen Wohnwagen zu. Ein Krankenwagen mit Blaulicht näherte sich. Mehrere als Aliens verkleidete Komparsen eilten gemeinsam mit dem Second Unit Director ins Weltraumstudio 4.
Denis schloss sich in seinem Wohnwagen ein und begann damit, Wodka zu trinken, um sich zu betäuben. Dann zog er schwankend eine Chipspackung aus einer Schublade, und aus einer anderen die alte Stetschkin, die ihm sein Vater geschenkt und mit der er während seiner zahlreichen Dienstreisen gern zum Spaà auf StraÃenschilder geschossen hatte.
Das Seltsame war, dass sich Denis, ebenso wie Catherine, am Anfang geweigert hatte, an diesem vollkommen schwachsinnigen Filmprojekt mitzuwirken, aber die Einnahmen hätten es ihm ermöglicht, den Traum zu verwirklichen, für den er Regisseur geworden war: ein biografischer Film in 3D-Technik über den Dichter Nikolai Stepanowitsch Gumiljow, den wichtigsten Vertreter des Akmeismus sowie glühenden Antikommunisten. Ein Epos in zwei Teilen. Es wäre um seine Heimat gegangen, und die Kritiker hätten ihn bejubelt.
Denis prüfte, ob das Magazin geladen war, setzte es ein und lieà mit theatralischer Geste den Schlitten zurückgleiten. Genauso wie in den Gangsterfilmen aus dem Westen, die Raissa Kibirov, die skandalträchtige Metal-Sängerin, mit der ihn seit einem Jahr die wohl aufregendste Liebesgeschichte seines Lebens verband, so gerne mochte.
Er setzte sich an den Tisch vor dem Plexiglasfenster, legte die Pistole und die Chipspackung ab. Einen Augenblick lang starrte er ins Leere, dann griff er nach der Packung und schüttete sie aus: fünfzig Gramm peruanisches Kokain, Ãberrest von dem Dreh in Cuzco, einer russisch-chinesischen Koproduktion. Nicht gerade ein Meisterwerk, aber recht unterhaltsam und international ein Erfolg.
Er tauchte das Gesicht in das weiÃe Häufchen und atmete ein.
Ein starkes Zittern erfasste ihn.
Er hob
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