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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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Enttäuschung!«, seufzte die Lehrerin.
    Victoria spürte den Boden unter den Füßen schwanken. »Eine gezahnte Vagina!«, schrie sie, ohne nachzudenken.
    Die Luft wurde zu Stein.
    Madame ließ sich wieder in ihrem Sessel nieder, bat sie jedoch nicht, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Victoria blieb stocksteif stehen.
    Â»Als Perseus Medusa enthauptete, vernichtete er eine Matriarchin und übernahm ihre religiöse Macht, die in einer matriarchalen Gesellschaft der Frau vorbehalten war. Es gibt auf diesem Gebiet keine geistigen Lehrer, denn all das ist im Mythos verloren gegangen. Und genau das wirst du lernen, Victoria: dir deine Geschichte wieder anzueignen. Insofern gar nicht schlecht: eine gezahnte Vagina …«
    Â»Aber Madame«, wandte Victoria zögernd ein, »was hat das alles mit Schauspielerei zu tun?«
    Iv lächelte ihr zu und forderte sie auf, sich zu setzen. »Wenn ich Philosophie lehren würde, müsste ich von der Schauspielkunst als etwas Animalischem, Andersartigem, als Hingabe, Gewalt und Sinnlichkeit erzählen. Aber ich bin pragmatischer und werde dir dieselben Ideen nicht mit Worten, sondern mit Gesten und dem Körper lehren.«
    Victoria fühlte sich benommen.
    Â»Eine gezahnte Vagina«, lächelte Madame. »Medusa, Sirene, Sphinx − sie alle sind Spiegel unseres schizophrenen Daseins als besänftigte Frau, die jedoch, wenn man sie aufrüttelt, jederzeit gefährlich und unbändig werden kann. Mir liegt nichts daran, dass du eine von vielen wirst. Du sollst die Beste werden. Aber um es zu werden, musst du wieder lernen, eine Frau zu sein.«
    Iv erschien Victoria mit einem Mal anders, als sie sie bisher gesehen hatte. Nicht bloß eine Lehrerin, sondern ein altes Orakel, das in geheimnisvollen Sätzen sprach. Sie spürte, dass das Gesagte einen Sinn ergab, auch wenn ihr im Augenblick alles rätselhaft und verworren erschien.
    Â»Ich werde dich lehren, deine Ängste als Nahrung, deinen Körper als Werkzeug und deine Stimme als Waffe zu nutzen. Du wirst begreifen, dass deine Weiblichkeit ein Geheimnis ist, das man entdecken kann. Ich werde dir Türen öffnen, von denen du nichts ahnst. Und weißt du, warum ich das tun werde?«
    Â»Nun … ich glaube …«, zögerte Victoria.
    Â»Weil ich in dir weit mehr als nur eine einfache Schauspielerin sehe.«
    Â»Wirklich?«
    Iv sah sie verständnisvoll an. »Mir ist klar, dass dir all das im Moment seltsam und unpassend erscheinen mag, aber ich garantiere dir, dass du wie eine jener Frauen werden kannst, die die Geschichte verändert haben.« Sie ließ Victoria jedes Wort in sich aufnehmen, dann stellte sie ihre Frage, nüchtern und ohne besondere Betonung: »Bist du bereit?«
    Victoria spürte eine unbändige innere Erregung. Madame würde sie mehr lehren, etwas, wovon sie bisher nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Während des offiziellen Unterrichts der vergangenen beiden Jahre hatte sie alles darangesetzt, sich in einer Welt zu behaupten, deren Regeln sie immer wieder dazu zwingen würden, vor diesem oder jenem in die Knie zu gehen. Doch nun offenbarte ihr Iv etwas vollkommen anderes. Victoria brauchte nicht zu überlegen, ob sie bereit war.
    Â»Wenn Sie all das in mir gesehen haben«, sagte sie überzeugt, »werde ich Ihnen folgen, wohin immer Sie mich führen.«
    Madame erhob sich gelassen von ihrem Sitz: »Dann fahren wir jetzt mit den Atemübungen fort und wecken ein wenig deine fünf Sinne. Du musst dabei Lust empfinden und es dein Gegenüber spüren lassen, sei es ein Publikum oder eine einzelne Person.«
    Victoria schluckte, und ein Schauer lief ihr den Rücken hinab. Wo würden sie beginnen?
    Iv schien ihre Gedanken zu lesen. »Ich werde dich das Wesen der Schauspielerei lehren, etwas, worauf du sowohl auf der Bühne als auch im Leben nach Belieben zurückgreifen kannst. Du wirst eine Schauspielerin werden, das verspreche ich dir, aber im vollkommenen Sinn des Wortes. Du wirst nicht so tun, als hättest du bestimmte Empfindungen, sondern du wirst sie tatsächlich empfinden. Du wirst eine Schauspielerin, wie es vor dir Helena von Troja, Salome, Anne Boleyn oder Madame de Pompadour waren. Aber auch Evita, Jacqueline, Marilyn und Grace. Allesamt Schwestern. «
    Â»Evita, Jacqueline? Sie waren Schauspielerinnen?«, wunderte sich Victoria.
    Madame Iv

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