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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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unterbrach das Gespräch aus Afghanistan. Gavril hörte nichts mehr. Er glaubte, die Verbindung sei abgebrochen, und blickte wütend auf das Telefon in seiner Hand. Dann war die Stimme seiner Tochter wieder zu hören: »Hallo, Papa? Bist du noch dran?«
    Â»Ja, Nadja. Ich bin noch dran.«
    Â»Sag mir die Wahrheit. Wie ist es passiert?«
    Gavril zögerte. Ihm war immer bewusst gewesen, dass seine Geschäfte Catherine und Nadja in Gefahr bringen könnten. Aber er hätte nie geglaubt, dass es auf so offenkundige Weise geschehen würde, praktisch vor seinen Augen, vor laufenden Kameras und unmittelbar vor seinen besten Leibwächtern. Er hatte beschlossen, Schuldgefühle erst später aufkommen zu lassen. Und bis dahin würde er es auch nicht dulden, dass seine Tochter ihm die Schuld zuwies. Vorläufig wollte er sie nur so schnell wie möglich nach Hause holen. In Sicherheit. Zum Teufel mit den afghanischen Kindern.
    Â»Papa«, fuhr sie mit gebrochener Stimme fort, »sag, dass es nur ein Unfall war.«
    Â»Solange du nicht in Moskau bist«, erwiderte er schroff, »war es nur ein Unfall.«
    Â»Ich bin deine Tochter!«, schrie Nadja in den Apparat. »Nicht einer deiner verdammten Gorillas! Begreifst du das nicht? Sie haben sie umgebracht, stimmt’s?«
    Gavril seufzte. »Ja. Es sah aus wie ein Stromunfall, aber das Gerät war manipuliert.«
    Â»Wer war es?« Erneut störte ein Blitzschlag die Verbindung.
    Â»Ich weiß es nicht. Und ich möchte am Telefon nicht darüber reden.«
    Â»Bei all den Leuten, die dir so zugetan sind«, bemerkte sie sarkastisch, »wird es ein Weilchen dauern, den Schuldigen zu finden …«
    Gavril schwieg einen Augenblick, bevor er erwiderte: »Nadja, lass es wenigstens für heute gut sein!«
    Â»Entschuldige Papa.« Ihre Stimme klang mit einem Mal verhalten. »Du hast recht. Aber … was ist jetzt mit Mama? Hast du eine Obduktion verhindern können?«
    Â»Ja. Und ich habe die besten Leute kommen lassen … um sie zu schminken.«
    Gavril gelang es nicht, seinen Schmerz zu verbergen. Aber zumindest war seine Tochter eine der wenigen, bei denen er sich das erlauben durfte. »Sie ist selbst jetzt noch schön«, fügte er langsam hinzu. »Nur blass. Sie wirkt heiter. Du wirst sie morgen sehen.«
    Â»Morgen scheint mir ausgeschlossen, allein bis zum Flughafen braucht man …«
    Â»Kirill ist bereits unterwegs, er wird dich holen. Alles kein Problem.«
    Â»Und wie will er bis hierher nach Anabah kommen? Mit deinem Privatjet? Im Slalom durch die Jagdflieger der ISAF und die Luftabwehr der Taliban?«
    Â»Kirill wird kommen«, versicherte Gavril ruhig.
    Nadja seufzte. »Ich werde mit ihm gehen. Aber du musst mir versprechen, dass er mich nach einer Woche wieder zurückbringt. Meine Patienten sind hier. Mein Leben.«
    Gavril antwortete nicht.
    Â»Und außerdem, Papa, gib es nur zu«, beharrte sie, »so wie die Dinge stehen, bin ich in Moskau in größerer Gefahr als hier, oder?«
    Â»Niemand kann dir etwas anhaben. Das verspreche ich dir«, sagte Gavril ernst. Dann hörte er am anderen Ende der Leitung einen Knall, gefolgt von den Rufen einer Männerstimme: »Nadja, Nadja!«
    Â»Was ist los?«, fragte Gavril besorgt.
    Â»Ich muss Schluss machen, Papa, ein Notfall und …«
    Â»Hallo, Nadja, hallo …?«
    Die Verbindung war abgebrochen.

12
    London, Madame Iv Lilys Büro
Freitag, 24. Dezember, 11.16 Uhr
    Das Büchlein, das ihr Madame ausgehändigt hatte, war eine Art Partitur. Es bestand aus rund einem Dutzend Hochglanzpapier-Blättern. Statt der Notenlinien waren die Seiten mit breiten schwarzen Linien überzogen.
    In der ersten Zeile war ein Satz notiert, den Victoria verständnislos anstarrte:

    Sie erkannte nur die Striche wieder, die an mehreren Punkten die horizontale Linie kreuzten. Es handelte sich um Zeichen des Ogham-Alphabets, der alten Schrift der keltischen Sprachen, die jahrhundertelang nur mündlich überliefert worden waren, wie sie anhand ihrer Recherchen im Internet herausgefunden hatte. Über die anderen, rings um die Linie angeordneten Symbole wusste Victoria dagegen nichts.
    Das kleine Päckchen, das sie Madame Iv als Geschenk mitgebracht hatte, lag verloren, und ohne dass es eines Blickes gewürdigt worden war, auf der gläsernen Schreibtischplatte.
    Â»Hast du so etwas noch nie

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