Die Schwingen des Todes
Siedlerfrauen - entschlossen uns, etwas für unsere Soldaten an der Front zu tun. Wir fuhren zu sechst nach Norden, um zu helfen. Ich war ungefähr zwanzig. An der Grenze gab es ein provisorisches, aber gut ausgerüstetes Lazarett. Es hatte vielleicht fünfzig Betten. Der erste Tag war die Hölle - das Stöhnen und Ächzen, all die Wunden, der Gestank, die Verletzungen.
Der zweite Tag erschien mir auch nicht viel besser, aber nach einer Woche gibt man entweder auf oder kann es richtig. Was man da lernt, vergisst man nicht mehr.«
Donatti staunte. »Und was hat der Lieutenant gemacht, während Sie die Soldaten verarzteten?«
»Wahrscheinlich als Polizist in Los Angeles gearbeitet.« Sie warf die eitergetränkten Wattebäusche in den Müll und sah ihm in die Augen. »Ich war damals nicht mit Lieutenant Decker verheiratet, Christopher. Ich hab mit meinem ersten Mann in Israel gewohnt.«
Donatti schwieg einen Moment und fragte dann: »Sie sind also geschieden?«
»Ich hab mit siebzehn geheiratet, hatte mit zwanzig zwei Söhne, und mit vierundzwanzig war ich Witwe.«
Donatti hob eine Braue und musste sich dann beherrschen, um nicht laut aufzuschreien.
»Tut mir Leid. Ich muss mal eben diesen Riss säubern, der ist etwas tiefer.«
Sie schwiegen eine Weile.
»Decker ist also nicht der Vater Ihrer Jungs?«
»Nicht der leibliche.«
»Kommt er gut mit ihnen aus?«
»Sehr gut sogar.«
»Wie haben Sie ihn kennen gelernt, Decker, meine ich?«
»Mein erster Mann und ich sind später in die Staaten zurückgegangen. Wir haben da in einer sehr geschlossenen religiösen Gemeinschaft gelebt. Mein Mann ist dort gestorben, und ich bin geblieben. Dann passierte ein Verbrechen, und der Lieutenant war zuständig für die Untersuchung. Ich vermittelte damals für die Polizei, war ungebunden und fühlte mich sehr von ihm angezogen.«
»Was für ein Verbrechen?«
»Vergewaltigung. Damals arbeitete der Lieutenant in der Abteilung für Sexualdelikte.«
»Wollte Sie jemand vergewaltigen?«
Sie stockte. »Ich hab nicht gesagt, dass ich das Opfer war.«
»Irgendwie hatte ich es so verstanden.«
Rina gab keine Antwort. Donatti sah, wie sich ihre Züge verhärteten. »Ich hab Sie verletzt, tut mir Leid. Ich frag nicht mehr.«
»Sie haben mich nicht verletzt.« Trotzdem wurde sie ganz still und biss auf ihre geschwollene Lippe, um nicht die Fassung zu verlieren.
Sie tat Donatti Leid. »Wissen Sie, mein Vater war ein Trinker und konnte so richtig zuschlagen«, begann er. »Hat mich andauernd grün und blau geprügelt. Als ich sieben war, hat er mich in besoffenem Zustand ein paar Mal zwischen die Beine getreten. Ich hab einen Hoden verloren.«
Rina schauderte. »Das ist ja furchtbar!«
»Schön war es nicht; vor allem habe ich damals keine kosmetische Operation bekommen. Im Umkleideraum musste ich mir immer ein Handtuch umbinden.« Er lachte bitter. »Die anderen dachten, ich sei ein Riesenbaby mit 'nem unterentwickelten Ding.«
»Das ist schlimm und tut mir wirklich Leid für Sie.«
Donatti fuhr fort. »Meine Mutter hat er auch geschlagen.«
Seine Miene verfinsterte sich. »Mindestens ein Dutzend Mal rief jemand die Cops... die scherten sich einen Dreck darum. Sie nahmen ihn mit, steckten ihn zum Ausnüchtern in eine Zelle, brachten ihm morgens ein Frühstück und ließen ihn dann laufen. Ein paar Tage oder eine Woche später dasselbe Spiel. >Hey, Patty! Haben wir dir nicht gesagt, du sollst sie nur dahin schlagen, wo es keiner sieht?< Eine Farce, es war zum Heulen. Das Allerschlimmste war. die völlige Hilflosigkeit.«
»Das ist ja die Hölle.« Donatti schwieg.
»Ich verstehe einfach nicht, wie jemand ständig ein Kind schlagen kann.« Rina versagte die Stimme. »Sie müssen sehr gelitten haben.«
»Ja.« Donatti war sichtlich berührt von ihrem Mitleid. »Aber ich hab's überlebt. Anscheinend ohne hormonelle Probleme.«
»Sieht so aus.«
»Man soll Gott auch für kleine Wunder danken.« Donatti wischte sich mit dem Handtuch den Schweiß vom Gesicht. »Eigentlich war es gar kein so kleines Wunder. Zwei haben, eins verlieren - damit kann man leben. Eins haben, eins verlieren, das ist etwas anderes. Außerdem hab ich später eine kosmetische Operation machen lassen. Man sieht absolut keinen Unterschied.« Er grinste. »Soll ich's Ihnen mal zeigen?«
»Es scheint Ihnen schon wieder besser zu gehen«, entgegnete Rina. »Zumindest Ihrer Zunge.«
»War nur ein harmloser Scherz.« Sein Lächeln verschwand. »Ich weiß gar
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