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Die Schwingen des Todes

Die Schwingen des Todes

Titel: Die Schwingen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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nicht gut genug gefühlt, irgendwas zu tun. Wenn er allein kämpfen will, soll er doch. Ich bin nicht sein Kindermädchen.«
    Ich legte ihm sanft die Arme um die Hüften und achtete darauf, dass ich nicht an seine Wunde stieß. Mein Flüstern war kaum hörbar. »Lass ihn nicht untergehen, Chris. Hilf ihm, auch wenn er's nicht will.«
    Er schwieg. »Bitte.«
    Er sagte immer noch nichts, aber er schob mich nicht weg. Stattdessen zog er mich an sich. drückte die Lippen in mein Haar. streichelte meinen Rücken. spielte auf mir wie auf einem Instrument. Seine Berührung konnte so wundervoll sein. Ich erschauerte leicht.
    »Ist dir kalt?«
    »Nein. das ist schön.«
    »Ich weiß, was mein Kätzchen gern hat.«
    »Ja.« Inzwischen verstand ich seine Körpersprache ziemlich gut. Zärtlichkeit bedeutete, er hörte zu, war kooperativ. Zärtlichkeit war ein sehr gutes Zeichen.

28
    Wenn er irgendwo Antworten finden konnte, dann in Quinton. Decker wusste, dass es im jüdischen Viertel aussichtslos war, aber er hegte die schwache Hoffnung, er könne sich mit Virgil Merrin versöhnen, indem er sein rüdes Benehmen damit entschuldigte, dass es ihm peinlich war, im Tattlers gesehen worden zu sein. Vielleicht konnte er dann die alte »Wir Jungs aus dem Süden«-Nummer abziehen - wenn er es schaffte, den Sarkasmus aus seiner Stimme herauszuhalten. Mit Merrin als Verbündetem kam er möglicherweise an die Namen von ein paar Teenagern aus Quinton, die Shayndie gekannt hatten.
    Aber er musste vorsichtig sein.
    Im schlimmsten Fall - wenn Merrin auch zum Ecstasyring gehörte und Erotiktänzerinnen als Kuriere für die Leute von der israelischen Mafia benutzte - bewegte er sich nämlich in einem Sumpf aus Politik, Geld und Korruption, in dem er sehr leicht versinken konnte. Außerdem gab es da noch die unheilige Allianz aus Weiss, Harabi und Ibn Dod: Vielleicht waren sie längst wieder in Israel oder versteckten sich anonym in der jüdischen Gemeinde, vielleicht waren sie aber auch tot.
    Und selbst wenn dieses Produkt der überbordenden Fantasie Deckers tatsächlich einen wahren Kern besaß und sich die lückenhaften Fakten, die er von Randy hatte, zu einer Geschichte zusammenfügten - wie hing das alles mit dem Lieber-Mord zusammen?
    Womit er wieder beim Ausgangspunkt war.
    Er musste in den jüdischen Teil von Quinton eindringen, und das bedeutete, er brauchte dort jemanden, dem die Leute vertrauten. Und vor allem brauchte er jemanden, dem er vertrauen konnte. Decker benötigte einen Maulwurf mit Kenntnis jüdischer Traditionen, Sitten und Rituale - einen Insider, der die Außenseiter kannte und der ihm gegenüber loyal war.
    Da Rina fort war, gab es nur noch einen Menschen, der dafür möglicherweise in Frage kam.
    Wie gut kannte Decker seinen Halbbruder? Das würde er jetzt wohl herausfinden.
    Die kleine, aber wachsende schul lag im Bezirk Morningside Heights, nahe der Columbia University. Zum morgendlichen Gebet um acht Uhr gehörten oft Studenten, und da es sich um eine konservative Gemeinde handelte, nahmen Männer und Frauen in gleicher Zahl am Gottesdienst teil und übten die gleichen Pflichten aus. Als Decker seinen Wagen parkte, war es kurz vor elf, einige Zeit nach dem Schacharit, der Morgenandacht. Vielleicht hatte sein Bruder jetzt Zeit für eine Kaffeepause.
    Jonathans Sekretärin, eine Afroamerikanerin in den Zwanzigern, erklärte ihm, Rabbi Levine habe Sprechstunde für seine Gemeinde und erst um halb eins Zeit. Wenn es ein echter Notfall sei, könne sie ihn über die Sprechanlage rufen, aber ansonsten wollte er nicht gestört werden.
    Es war kein echter Notfall.
    In diesem Fall könne er gern in der Bibliothek warten oder vielleicht auch schon mal zu einem frühen Mittagessen gehen. Sie würde dem Rabbi ausrichten, dass er da gewesen sei. Er dankte ihr, sagte, er wolle um halb eins wiederkommen, und sie möge den Rabbi doch bitten, auf ihn zu warten.
    Decker verließ die schul und ging den Broadway entlang, wobei ihn leichter Knoblauchgeruch umwehte, da die Synagoge gleich neben Titos Pizzeria lag. Er hätte vorher anrufen sollen. Leise fluchend betrat er einen der allgegenwärtigen Starbucks und bestellte einen großen schwarzen Kaffee. Es gab keine Sitzgelegenheit, also lehnte er sich wie ein auf Kundschaft w artender Dealer an die Wand. Er ging im Geist seinen Notizblock durch, der inzwischen eine Menge gekritzelter Bemerkungen enthielt.
    Er konnte die Zeit nützen, indem er noch einmal mit ein paar Leuten sprach - zum

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