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Die Schwingen des Todes

Die Schwingen des Todes

Titel: Die Schwingen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Mantel und Hut für Hannah zum Pessachfest zurück.
    Sie ging auf ihn zu und sah ihm direkt in die Augen. »Lust auf einen Kaffee? Ich zahle. Sie nehmen die Tüten.« Sie drückte sie ihm an die Brust und marschierte aus dem Laden. Sie gingen in ein nahe gelegenes Cafe, wo sie für ihn einen Becher normalen und für sich einen Milchkaffee orderte. Danach steuerte sie einen Park an - nur ein paar Schaukeln und Rutschen, aber für ihre Zwecke würde es genügen. Sie wählte eine etwas abseits gelegene Bank, von der aus man aber noch immer Leute sehen konnte.
    Sie setzte sich als Erste. Er hatte so viel Anstand, auf der a nderen Seite Platz zu nehmen und die Tüten zwischen sie beide zu stellen. Als seine Jacke aufsprang, sah sie die Pistole, die in der Innentasche steckte. Er bemerkte ihren Blick auf die Waffe, und seine eiskalten Augen blitzten auf. Schweigend tranken sie ihren Kaffee.
    Ihre Nervosität gefiel ihm, das war offensichtlich. Aber sie wartete, dass er zuerst sprach. Sie konnte warten.
    Schließlich begann er. »Müsst ihr jüdischen Frauen euer Haar in der Öffentlichkeit nicht bedecken?« »Ich trage eine Perücke«, antwortete Rina. »Tatsächlich?« »Ja.«
    »Es ist eine gute Perücke.«
    »Und eine teure. Sie besteht aus echtem Menschenhaar.« »Wirklich?« Er nahm einen Schluck Kaffee. »Wie geht denn so was? Wird dafür jemand skalpiert?«
    »Nein. Sie kaufen die Haare von Frauen, die ihr eigenes Haar extra dafür wachsen lassen und es abschneiden. Es ist sehr zeitaufwändig. Ich glaube, meine Perücke stammt von einer Asiatin. Die Haare sind ganz glatt und kräuseln sich nicht bei nassem Wetter. «
    »Wie sieht Ihr natürliches Haar aus?«
    »Meins?« Rina berührte ihren Pony. »Das ist mein natürliches Haar.« »So dunkel?« »Ja, es ist fast schwarz.« »Die Farbe ist sehr ähnlich.« »Ja.«
    Schweigen.
    »Aber verfehlt das nicht irgendwie den Zweck?« Er musterte sie mit einem anzüglichen Blick. »Wenn Sie für andere Männer n icht attraktiv sein wollen, gelingt Ihnen das aber nicht sehr g ut.«
    Rina sah ihm in die Augen. »Die Gründe dafür, dass wir unser Haar bedecken, hat nicht nur etwas mit körperlicher Attraktivität zu tun. In der weißen Tüte sind süße Brötchen. Bedienen Sie sich, Mr. Donatti.«
    »Sie können mich Chris nennen.« Er musterte sie von oben bis unten. »Schließlich habe ich Sie in meiner Fantasie sehr oft Rina genannt.«
    »Sie können mich auch im richtigen Leben Rina nennen. Ich habe damit kein Problem.« Sie schwiegen.
    Chris' Augen blieben auf ihr Gesicht gerichtet. »Wissen Sie, ich hatte viele Mädchen, Rina. Sehr, sehr viele. Wenn die Mädchen einem wie reifes Obst in den Schoß fallen, wird es ein bisschen langweilig und immer schwerer, jemanden aufregend zu finden. Das heißt, verbotene Früchte werden irgendwann sehr attraktiv.«
    Schweigen.
    Rina hörte die spielenden Kinder. Sie schwieg einen Augenblick und überlegte genau, was sie sagen wollte. Dann sprach sie mit klarer Stimme. »Sind Sie mit irgendeiner Religion aufgewachsen, Mr. Donatti?«
    »Chris, bitte.« Ein breites Lächeln. »Wir sind hier alle Freunde.«
    »Sicher. Sind Sie mit irgendeiner Religion aufgewachsen , Chris?«
    Donatti starrte sie weiterhin an. »Ich bin katholisch.« »Dann kennen Sie sich ein wenig in der Bibel aus.« Chris lächelte. »Ich war kein sehr guter Christ, Rina.« »Kennen Sie die Geschichte von Jakob und Esau?«
    »Das ist schon lange her.« Ein raubtierhaftes Grinsen. »Erzählen Sie sie mir.«
    »Jakob und Esau waren Brüder. Zwillingsbrüder, aber das war auch schon alles, was sie verband. Sie waren sehr verschieden. Jakob war ein stiller, gebildeter Mann - ish tam, wie wir im Hebräischen sagen. Er lernte, benahm sich gut, tat, was sein Vater ihm sagte, und machte keine Probleme. Esau war ganz anders. Er wird als ein ish sadde beschrieben - ein Mann des Feldes. Er war ein ausgezeichneter Jäger, ein guter Krieger, sehr männlich und vermutlich auch gut aussehend. Er war sehr charmant und hatte tadellose Manieren.
    In den jüdischen Sagen heißt es, Esau sei mit einem kompletten Gebiss und einem Bart geboren worden. Man könnte es wörtlich nehmen, aber für mich ist es eine Metapher, Mr. Donatti. Zähne und Bart stehen für einen reifen Mann. Für mich heißt das, dass Esau genau als der Mann geboren wurde, der er bestimmt war zu sein. Seine gesamte Kindheit - all die Lernerfahrungen durch die Fehler, die man als Kind macht - war für ihn bedeutungslos.

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