Die Schwingen des Todes
seinen leeren Kaffeebecher. »Da hinten ist e in Mülleimer. Werfen Sie den bitte für mich weg?« »Kein Problem.«
Wieder starrte er sie an. »Vielleicht unterhalten wir uns mal wieder.«
Rina blickte auf und schenkte ihm einen abschätzigen Blick. »Und vielleicht können Schweine fliegen.«
Donatti lachte schallend. »Haben Sie was dagegen, wenn ich Terry Ihre Telefonnummer gebe, Mrs. Decker? Wenn sie wieder mal bei den großen Jungs mitspielen will, wäre es gut, wenn sie sich vorher ein paar Tipps von einer Expertin holen würde.«
16
Wenn überhaupt eine Theorie einen Sinn ergab, dann die von einem Drogendeal, der schief gelaufen war. Aber wozu hätte Ephraim Shayndie mitnehmen und in Gefahr bringen sollen? War der Mann so ein Feigling gewesen, dass er ein junges Mädchen als Schutzschild benutzt hatte? Raisie hatte Decker gewarnt, seine Nachforschungen würden Shayndie gefährden, was Decker wiederum auf den Gedanken gebracht hatte, dass Chaim mehr wusste, als er zugab. Er dachte daran, Novack anzurufen, um mit dem Detective einige seiner Vermutungen zu besprechen. Aber wenn Raisie nun Recht hätte? Wenn seine Ermittlungen Shayndies Chancen auch nur minimal verschlechterten - durfte er dann überhaupt etwas unternehmen?
Vielleicht war es dem Mädchen gelungen zu fliehen, und jetzt hielt es sich irgendwo versteckt. Vielleicht hatte sie sich inzwischen mit ihren Eltern in Verbindung gesetzt, zögerte aber noch, nach Hause zu kommen. Möglicherweise hatte ihr Verschwinden aber auch einen ganz anderen Grund. Vielleicht war sie schwanger, hatte die ganze Geschichte mit ihrem Onkel nur vorgeschoben und hielt sich jetzt in einem Heim für minderjährige Mütter auf, und Chaim wollte das vor Decker verheimlichen? Vielleicht schlug Deckers Fantasie aber auch nur Kapriolen.
Dealer morden in der Regel, um ein Zeichen zu setzen. Doch diesmal war der Mann im Hotel erschossen worden, und es gab keinerlei Anzeichen von Folter.
Ein sauberer Auftragsmord - nach Donattis Muster.
Der Rückflug ging am nächsten Abend um sechs. Von da an hätte Decker sowieso nichts mehr mit der Sache zu tun. Also wäre es das Beste, es sich gemütlich zu machen. Er würde Rina und die Kinder in ein bekanntes, koscheres Steakhaus ausführen.
Danach würden er und Rina sich in einem der Hotels das Harley-Mann-Quintett anhören. Rina hatte zuerst Skrupel gehabt, denn wie konnten sie ausgehen und sich amüsieren, während die Liebers trauerten?
Für sechs Uhr hatte er sich mit seiner Familie verabredet. Aber schon zwanzig Minuten früher fand er sich am vereinbarten Treffpunkt ein. Um fünf vor sechs sah Decker dann Sammy, Jacob und Hannah die Straße entlangkommen. Zwei gut aussehende junge Männer und ein süßer kleiner Fratz.
Hannah rannte auf ihn zu und nahm seine Hand. Sie trug einen Jeansrock und einen grünen Pulli. Ihre roten Locken hüpften auf ihren Schultern. »Wo ist Eema?«
»Die müsste auch gleich kommen.« Decker küsste sie auf den Scheitel. »Wie war's im Museum?« »Ganz toll«, antwortete sie. »Vor allem der Wal.«
»Der Wal war cool.« Jacob schwenkte eine Reisetasche. »Ein echter Brocken.«
»Im Hayden-Planetarium waren wir auch mit ihr«, sagte Sammy.
»Klingt nach einem ereignisreichen Tag«, meinte Decker.
»Ja, meine Füße tun total weh«, beschwerte sich Sammy. »Ich möchte mich nur noch hinsetzen.«
»Geben wir Eema noch ein paar Minuten, okay?«, schlug Decker vor.
Die jungen Leute waren über den Vorschlag zwar nicht begeistert, beschwerten sich aber ausnahmsweise mal nicht. Die Jungs waren ähnlich gekleidet - dunkle Pullover und Jeans. Jacob trug eine dicke Jeansjacke, Sammy über dem Pullover ein flauschiges, kariertes Flanellhemd.
»Und - hattest du einen schönen Tag?«, fragte Sammy seinen Vater.
»Also, das hier ist mit Sicherheit der Höhepunkt unseres Aufenthalts«, antwortete Decker. »Echt - so gut?«
»Ich freue mich jedenfalls sehr, euch Jungs zu sehen.«
»Da vorn kommt Eema!«, verkündete Jacob. »Glaub ich wenigstens, soweit ich das unter den Bergen von Tüten erkennen kann.«
»Was hat die denn angestellt?«, fragte Sammy. »Den ganzen Laden leer gekauft?«
»Weiß der Himmel«, seufzte Decker. »Geht ihr doch entgegen und nehmt ihr was ab.«
»Meinst du wirklich, Dad?«, fragte Sammy zweifelnd. »Das Ganze sieht ziemlich gut ausbalanciert aus.«
Decker warf ihm einen strafenden Blick zu, worauf die Jungs losstürmten und ihrer Mutter die Tüten abnahmen. Jacob bekam
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