Die Séance
gehen und alle Lichter anzumachen. Sie schaltete sogar den Plasmafernseher im Wohnzimmer an, weil sie meinte, das Hintergrundrauschen würde ihr guttun.
Gerade liefen die Nachrichten.
“Wie meist in solchen Fällen”, sagte eine attraktive junge Sprecherin, “hat es Beweismaterial gegeben, das die Polizei der Öffentlichkeit vorenthalten hat, als der Interstate-Killer vor zwölf Jahren aktiv war. Die Polizei hat bis jetzt noch keinen Kommentar dazu abgegeben, ob der Mord an Sherri Mason Übereinstimmungen mit diesem vertraulichen Beweismaterial aufweist oder nicht. Wie Sie vermutlich wissen, endete die Mordserie des Interstate-Killers mit dem Tod des Mannes, der zum Hauptverdächtigen geworden war, Detective Beau Kidd. Kidd war mit zweien der Opfer bekannt, die …”
Christina hätte beinahe die Fernbedienung durch den Raum geschmissen, stattdessen schaltete sie sofort wieder aus.
Seufzend checkte sie noch einmal die Haustür, machte die Lichter aus und ging die Treppe hoch.
Das Zimmer ihrer Großmutter hatte sie nicht verändert, und das würde sie auch nicht. Es würde zum Gästezimmer umfunktioniert, hatte sie beschlossen.
“Ausgerechnet Beau Kidd”, murmelte sie vor sich hin, als sie ihr eigenes Zimmer betrat. “Wenn dieses Haus Geister beherbergte, dann die von Granpa und Granma, Menschen, die mich geliebt haben.”
Sie hatte in diesem Haus noch nie Angst gehabt, und sie war wütend, dass die Ereignisse dieses Abends sie so nervös gemacht hatten.
Sie war rothaarig. Es gab jede Menge Rothaarige da draußen, natürliche und nachgeholfene, es war eine beliebte Haarfarbe.
Sie schloss stets ihre Türen ab. Sie ließ sich nicht mit Fremden ein. Sie war vorsichtig.
Sie sah sich in ihrem Zimmer um, demselben Zimmer, in dem sie immer übernachtet hatte, wenn sie als Kind zu Besuch kam. Es hatte sich über die Jahre leicht verändert. Zum einen hatte sie ein neues Bett – ein Weihnachtsgeschenk von vor ein paar Jahren. Es war schön breit, mit hübschem Kirschholzrahmen, und sah ein bisschen wie ein romantischer Pferdeschlitten aus. Der Schrank und die Garderobe waren dazu passend, wie auch die Konsole für die sorgsam verborgene Unterhaltungselektronik.
Die öffnete sie, schaltete den Fernseher ein und fand einen Kanal, der nichts als Wiederholungen von alten Sitcoms brachte.
“Na bitte. Keine Nachrichten heute Nacht.”
Ihre Stimme klang komisch in dem leeren Haus. Sie war froh, als der Ton des Fernsehers den Raum erfüllte.
Und sie war richtig erfreut, als ein Werbespot mit einem Jingle von ihr auf dem Bildschirm erschien. “Ever soft, ever silky, ever gentle to the touch, oh, dear Biel’s tissue, we thank you so much.”
Nicht gerade Poesie, nicht mal ihr bester Text, aber ein hübscher Ohrwurm.
Sie lächelte, ging ins Bad und schlüpfte in ihr Baumwollnachthemd, das über der Tür hing, wusch sich das Gesicht und putzte die Zähne. Ein paar Minuten später zog sie die Bettdecke zurück und machte es sich in ihrem sauberen, kühlen Bett bequem.
Und starrte auf den Fernseher, ohne etwas zu sehen.
Sie stand wieder auf und machte die Lichter an, die sie vorhin ausgemacht hatte. Bestimmt war ihr Haus von der Straße aus erleuchtet wie ein Weihnachtsbaum. Sie stellte den Fernseher leiser, fiel aufs Kissen und schloss die Augen und hoffte, das sanfte Gemurmel der Sitcom würde ihr helfen, einzuschlafen. Es war nicht so, als hätte sie am nächsten Morgen irgendetwas Unaufschiebbares zu erledigen; sie würde bloß die Kisten ausräumen und das Haus einrichten.
Aber sie war müde. Sie wollte jetzt schlafen.
Sie wälzte sich eine Weile herum, zwang sich dazu, still zu liegen, mit geschlossenen Augen halb dem Fernseher zuhörend.
Dann, mit dem Kopf auf dem Kissen und geschlossenen Augen, spürte sie ein seltsames Kribbeln. Sie konnte an der Luft um sie herum oder an den Geräuschen keine eindeutige Veränderung feststellen. Es war ein altes Haus, es knarzte manchmal. Aber sie kannte jedes Knarzen, und sie hörte jetzt nichts Ungewöhnliches.
Aber das Kribbeln ging nicht weg.
Sie fühlte sich wieder wie als Kind, als sie voller Angst einen Horrorfilm sah und die Augen schloss …
Wenn das hier wirklich ein Film wäre, hätte sie den Drang verspürt, die Augen wieder aufzumachen, aber es war das richtige Leben, und sie kämpfte dagegen an. Wenn sie die Augen geschlossen hielt, wäre alles in Ordnung. Als ob sie sich unter dem Bett oder in einem Schrank versteckte.
Ich will nicht. Ich will die
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