Die Séance
irgendeinem anderen Kerl. Am Tag bevor sie starb, wurde sie gesehen, wie sie aus Beaus Apartmenthaus gekommen ist. Keiner von uns glaubte, dass er es sein könnte, aber der Lieutenant hat mit ihm darüber gesprochen. Beau hat mir gegenüber zugegeben, dass der Lieutenant sich Sorgen um ihn machte – er hatte ihm nichts Konkretes vorgeworfen, aber er wollte ihn von dem Fall abziehen. Also hab ich mir die Hintergründe der anderen Opfer noch mal angesehen und auch auf eigene Faust ein bisschen rumgeschnüffelt … wie sich herausstellte, war er den anderen Mädchen ebenfalls zumindest begegnet. Ein paar der anderen Detectives an dem Fall fingen auch an, Verdacht gegen ihn zu schöpfen, besonders nachdem festgestellt worden war, dass wir jemanden jagten, der genau wusste, wonach die Cops suchen würden und der wusste, wie man Spuren vermeidet. Und wir konnten ja damals überhaupt nichts finden. Man hätte doch angenommen, dass diese Mädchen es geschafft haben mussten, den Killer zu kratzen oder so, aber … nichts. Er ging auch mit dem Mädchen aus Tampa aus, dem letzten Opfer, Grace Garcia. Das wussten wir alle. Als ich dazukam, hatte er sie in seinen Armen, er brachte sie gerade in diese Positur. Ich schrie, und er zog und legte auf mich an! Was zum Teufel sonst hätte das bedeuten sollen?”
Larrys Stimme klang gequält. Na ja, wieso auch nicht, dachte Jed. Er selbst musste ja auch mit seinen eigenen Schuldgefühlen fertig werden, und er hatte nichts anderes getan, als ein Buch zu schreiben.
Larry Atkins hatte den Mann erschossen.
“Larry, außer dass Beau die Mädchen kannte und ein Cop war, was gab es sonst noch für Beweise gegen ihn?”, fragte Jed. “Zählen Sie das für mich noch mal auf.”
Larry blickte hinaus auf die Felder, paffte an seiner Pfeife. “Kein Alibi”, sagte er und holte tief Luft. “So wie wir das gesehen haben, und der Typ vom FBI stimmte mit uns überein, wies das Profil auf einen Mann in den Zwanzigern hin, einen Psychopathen, der gesellschaftlich funktionieren kann, jemand, der tagsüber lächelt und sich um seinen eigenen Kram kümmert. Verdammt, sehen Sie sich mal an, wie lange Ted Bundy damit durchgekommen ist.” Er schüttelte den Kopf. “In den meisten Fällen erwischt man einen Kerl, der sozial am Boden ist, einen Autodieb oder Junkie. Der sieht auf den ersten Blick verdächtig aus, die Leute haben Angst vor ihm. Und dann gibt es die wirklich furchterregenden Typen, die genauso normal aussehen wir Ihr Dad oder Ihr Bruder, und jeder in seiner Umgebung meint, zum Teufel, nein, das ist doch ein netter Bursche, der tätschelt meinem Hund den Kopf, der hält seinen Vorgarten sauber. Beau war genau so ein Typ.”
“Bis jetzt ist alles an diesen Morden ganz genauso wie vor zwölf Jahren, die Frauen verschwinden, sind etwa drei Tage vermisst, bis ihre Leichen gefunden werden.”
“Klingt ganz so”, stimmte Larry zu, schaukelte in seinem Stuhl, sah Jed nicht an.
“Also ist die Frage: Wo zur Hölle hält er sie so lange gefangen?”, fragte Jed.
“Wir haben nie irgendwelche Spuren gefunden, aber Beau muss sie in seinem Apartment versteckt haben, gefesselt, geknebelt … bis sie an der Reihe waren und er sie umgebracht hat.”
“In seinem Apartment”, murmelte Jed.
“Wir sind das alles schon mal durchgegangen”, sagte Larry. “Ich wünschte wirklich, mir würde irgendwas einfallen, irgendwas, das ich damals übersehen habe.”
Es muss auch irgendetwas geben, dachte Jed.
“Ich konnte an nichts anderes mehr denken, seit ich von dem Mord an Sherri Mason gehört habe”, versicherte Larry ihm. “Mir fällt bloß überhaupt nichts ein.”
“Danke für den Versuch, Larry.”
“Sie können jederzeit wieder vorbeikommen.”
“Werde ich. Nochmals danke.”
“Denken Sie mal drüber nach, sich ein Pferd zuzulegen, Jed.”
“Ich wohne in einem Apartment.”
“Kaufen Sie sich ein Stück Land, besorgen Sie sich Pferde.”
“Ich denk mal drüber nach”, versprach Jed.
“Ich glaube, ich sollte heute Nacht bei dir bleiben”, sagte Ana zu Christina, als sie wieder vor deren Haus parkte.
Christina bemerkte, dass sie das Haus mit dunklen Vorahnungen anstarrte, und wurde sofort wütend auf sich selbst.
Es war jetzt ihr Haus; sie bewirtschaftete jetzt quasi den Familiensitz. Und sie liebte das Haus.
“Mir geht’s gut. Wirklich”, log sie Ana an und hoffte, ihr Tonfall wäre genauso überzeugend wie ihre Worte.
“Dir vielleicht, mir aber nicht”, sagte
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