Die Séance
Dunkelheit, verursacht durch das Glimmen aus dem Bad und vom Flur, trotzdem so viel Dunkelheit.
Aber da war etwas.
Eine Gestalt.
Am Fußende ihres Bettes.
“Ana!”, rief sie, packte ihre Freundin am Arm.
Ana wachte auf und schrie: “Was?”
Der Schatten … die Gestalt … war weg.
Christina sprang auf, rannte zum Ende ihres Betts, wo sie mit den Händen durch die Luft fuchtelte, als ob sie etwas zu fassen kriegen wollte, das eindeutig nicht da war. Ana starrte sie an, als wäre sie verrückt geworden.
Plötzlich hörten sie von draußen ein Geräusch, eine Autotür wurde zugeschlagen.
Sie sahen sich an. Anas Kinn klappte herunter.
Christina raste ans Fenster, Ana direkt hinter ihr.
Da stand ein fremder Wagen in ihrer Einfahrt, geparkt hinter ihrem eigenen, sodass sie weder die Marke noch das Modell erkennen konnte.
“Da!”, keuchte Ana.
Christina sah hin, und dann schnappte auch sie nach Luft.
Eine große, finstere, bedrohliche Gestalt stand auf dem Rasen. Und während sie die Gestalt beobachteten, hielt diese auf Christinas Haus zu.
6. KAPITEL
“U nd seit diese schreckliche Kreatur in die Höhle kam, hallen ewiglich schaurige Schreie durch die kalte Nacht. Niemand wagt es, die Höhle zu betreten, denn die Kreatur kauert auf einem Felsvorsprung, tief in der Erde, gleich neben dem Kristallwasser … und wartet.”
Dan McDuff flüsterte diese letzten Worte, dann klappte er hörbar das Buch zu, was wie ein dumpfer Aufschlag klang. Zu seiner tiefen Befriedigung machten einige der jungen Frauen und sogar zwei der Männer im Publikum beinahe einen Satz. Er erhob sich aus dem tiefen Sessel, in dem der als Sensemann verkleidete Märchenerzhähler Hof hielt, und deutete mit ausgestrecktem Arm in die Menge. Seine langen schwarzen Nägel funkelten im Zwielicht. “Kommt morgen wieder, wenn ihr euch traut, und der Sensemann wird euch weitere Geschichten erzählen, voller Geheimnisse, Gefahren und bizarrer Wesen. Bis dahin, meine Kinder, gute Nacht. Finstere Träume euch allen.”
Begleitet von einem angenehm donnernden Applaus stieg er vom Podium und strebte zu einer Tür, die in einem Hohlbaum des mystischen Waldes versteckt war und über eine Treppe zu den Gängen führte, die für das Personal reserviert waren. Für den Sensemann schickte es sich nicht, vor oder nach der Vorstellung im Publikum gesehen zu werden.
Als er die Garderobe für Männer erreichte, schrubbte er die weiße und graue Schminke ab, die ihm das Aussehen einer ziemlich betagten Leiche verlieh, duschte und zog seine eigenen Sachen an. Den Rest der Nacht hatte er frei.
Er ließ ein gereiztes Seufzen hören, als er seinen Spind abschloss. Immer noch keine Nachricht über die endgültige Besetzung der neuen Show, und das frustrierte ihn langsam. Er wollte wirklich nicht ewig Waschbär Ralph bleiben. Zum einen brachte das nicht genug Geld ein. Er verschwendete sein Geld zwar nicht, und er hatte den Treuhandfonds, den seine Großmutter ihm hinterlassen hatte, aber er wurde auch langsam älter. Er benötigte dringend ein paar größere Rollen für seinen Lebenslauf. Entweder das, oder er brauchte genügend Geld, um mit einigen der anderen Schauspieler hier im Park ein eigenes Theater eröffnen zu können.
Einen Augenblick dachte er darüber nach, was für ein Pech es doch war, dass Granma sich nicht hatte dazu durchringen können, das alte Haus zu verkaufen – er mochte gar nicht spekulieren, was es wohl wert sein mochte. Selbst ein Drittel dieser Einnahmen hätte ihm schon gereicht. Zum Teufel, damit hätte er, ganz allein, sein eigenes Theater aufmachen können.
Plötzlich musste er lächeln, als er sich ausmalte, wie Christie wohl ganz allein in dem alten Kasten zurechtkam.
Als er aus der Garderobe trat, stieß er mit Marcie McDonnagh zusammen, die in der neuen Show über die altgriechischen Götter als Hera vorgesehen war, und die jetzt auch tagsüber “die Mieze spielen” und nachts irgendeine furchterregende Kreatur geben musste.
Marcie war hübsch, mit schulterlangem braunem Haar und großen dunklen Augen. Sie hatte auch Tanz studiert, ein Gebiet, auf dem seine Fähigkeiten zu wünschen übrig ließen. Er hingegen musste nur einen Blick auf die Noten eines neuen Musikstücks werfen, und schon befand sich die Melodie in seinem Kopf, bevor er sie noch summen konnte.
“Ich wünschte, die Besetzung wäre schon endgültig”, sagte sie, offenkundig genauso frustriert über die Situation wie er.
“Ja, mir geht’s
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