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Die Sechzigjaehrige und der junge Mann

Die Sechzigjaehrige und der junge Mann

Titel: Die Sechzigjaehrige und der junge Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Iuga
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dem Tod zu versöhnen, und dem jungen Mädchen, das ihn drängt, noch einmal alles zu wagen. Und noch etwas. Wer alt ist, will einen lebenden Menschen zurücklassen, nicht nur, damit dieser ihn dann hin und wieder erwähnt, sondern damit er ihm auch gleicht. Man will sich Nachfolger formen, nach seinem Angesicht und Ebenbild, wenn schon nicht durch Klonen, dann immerhin mittels Persönlichkeitsübertragung, man hat einen Hang zum Pygmalion, das ist auch eine Art zu überleben, nicht wahr? Ich erinnere mich an eine Situation, die ich in den Siebzigerjahren im Haus eines wichtigen Literaturkritikers erlebte, ich komme grade nicht auf seinen Namen, es war nach einer Riesenparty mit viel Wodka, ich glaube Vasile Vlad, Mircea Ciobanu und auch Mazilescu waren da, vielleicht auchTurcea, ich weiß nicht mehr genau, ich war die einzige Frau, in Begleitung von Nino – als ein junger Mann, der womöglich der Jüngste von uns war und dessen Namen ich vergessen habe, ein Iulian, weiter weiß ich nicht, in Anwesenheit des Kritikers mit aller Ausführlichkeit begann, über die wilde Geschichte zwischen ihm und dem Herrn Magister zu berichten. Er erzählte, sie hätten wie die Hunde gefickt, der Kritiker habe gestöhnt, sich hingekniet und ihm die Füße geküsst, er habe ihn überall gestreichelt, sein Geschlecht in den Mund genommen. Er sprach mit einem Zynismus, der uns alle erstarren ließ, und er lachte diesem zerbrechlichen und in seiner vornehmen Würde so verletzlichen Menschen ins Gesicht. Hier hatte wohl die Beziehung zwischen den Generationen die letzte Schwelle überschritten, du wirst wissen, wie Pasolini gestorben ist. Terry und ich waren noch nicht alt genug, um in solche Fallen zu tappen. Mein einziges Interesse an den jungen Deutschen war, dass ich mir von ihrer Dichtung eine Scheibe abschneiden konnte, sie kündigte eine neue Sensibilität an, und noch etwas anderes, mich faszinierte ihr Mut, ihre Aufrichtigkeit, in ihrer Nähe fühlte ich mich wie sie, ich war stolz auf mich, ich erlangte eine Art von Offenheit, die mich auszeichnete. Bei Terry lagen die Dinge ein bisschen anders, glaube ich. Ihre zur Schau gestellte Großzügigkeit, die Gefälligkeiten, die sie den jungen Dissidenten erwies, die Umschläge mit Geld, die sie zu jedem Ersten des Monats verschickte, konnten durchaus noch andere Interessen kaschieren. Nach 1985 wussten wir fast alle, dass wir nicht mehr lange zu warten hatten. Das Ende des Regimes kündigte sich an. Wir setzten große Hoffnungen auf Gorbatschow. Goma, Dorin Tudoran,Dinescu und andere ermutigten uns zu glauben, dass sich etwas ändern würde. Bossert und Hensl waren von Securitate-Männern bestialisch zusammengeschlagen worden. Terry half, wo sie konnte, und versicherte sie ihrer Freundschaft. In meiner schlimmsten Zeit, als in meinem Kopf die Eifersucht und der Neid auf diese Frau unsinnige Formen angenommen hatten, du merkst, ich sage nicht mal mehr Freundin, da dachte ich, sie würde sich auf diese äußerst billige Art ihren Weg in die Zukunft bahnen, sich einen gemütlichen Platz in der Gesellschaft von morgen sichern. Woher stammt dieser wortlose Konflikt zwischen mir und Terry. Ich denke oft, dass sie geworden ist, was aus mir hätte werden sollen, und umgekehrt. Vielleicht gibt es uns eigentlich nur als zwei Hälften eines gemeinsamen Ganzen. Vielleicht rede ich eigentlich von mir, wenn ich von ihr rede, ich verpasse ihr mein verdorbenes Gesicht, um die ganze Wahrheit über mich sagen zu können, ohne mich bloßzustellen. Ich will, dass man das weiß, und gleichzeitig, dass es unerkannt bleibt. Immer gut hinter jemand anderem versteckt, schreie ich aus vollem Hals, denn mit diesen boshaften Verdrehungen beehre ich nicht nur sie, ich vergreife mich an allen, die ich kenne, oder ich erfinde sie, wenn ich von mir erzähle. Möglich, dass ich auch für dich irgendwann Verwendung finde, wenn ich mich jemand anders anvertrauen möchte. Es ist jedenfalls bemerkenswert, dass ich mir diese negativen Doppelgänger immer unter denen aussuche, die mir am nächsten stehen, ich wage sogar zu behaupten, unter denen, die ich liebe. Anna unterbricht sich plötzlich. Sie wartet auf seine Reaktion. Der Mann scheint ganz davon in Anspruch genommen, eine kleine Fliege aus seinem Bierglaszu fischen. Sollte ihn etwa gar nicht gestört haben, was ich gesagt habe? Oder erregt ihn vielleicht meine dubiose Beziehung zu Terry? Merkt er, dass ich eigentlich nichts anderes beabsichtige, als ihm zu zeigen,

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