Die See Der Abenteuer
nächste Wache, Philipp. Die Mädels wollen wir lieber nicht beteiligen. Sie würden bestimmt nicht mit Stelzbein fertig werden, wenn er plötzlich seinen Kopf aus der Höhle steckte.«
»Ich würde schon mit ihm fertig werden!« rief Dina entrüstet. »Aber Lucy würde ihn natürlich eher streicheln als schlagen.«
Lucy schwieg. Niemals hätte sie es fertiggebracht, jemand zu schlagen, das wußte sie. Es wurde also beschlossen, daß sich die beiden Jungens in die Wache teilen sollten.
Die Sonne war im Meer untergetaucht. Am Himmel blitzten die ersten Sterne auf. Die Kinder hatten sich auf das Heidekraut gestreckt und unterhielten sich leise. Von Theobald Stentzlein war nichts zu hören. Vielleicht schlief er schon.
Philipps Mäuse, die plötzlich sehr erwachsen aussa-hen, kamen heraus, um frische Luft zu schöpfen. Dina rückte ein wenig weiter fort. Schnarr und Schnauf beobachteten die drei weißen Geschöpfe aufmerksam. Kiki gähnte. Dann nieste er laut und ließ einen hohlen Husten folgen.
»Halt den Schnabel!« sagte Jack. »Wenn du deine Künste durchaus vorführen mußt, kannst du zu den Möwen und Lummen gehen.«
»Orrr!« sagte Schnarr würdevoll.
»Schnarr stimmt mir zu«, stellte Jack fest.
»Pah!« rief Kiki.
»Ach, sei endlich still!« wies Jack ihn zurecht. »Stör den schönen Abend nicht.«
Da hörten sie plötzlich ein Geräusch von See her, zuerst ganz leise und durch das Meeresrauschen kaum vernehmbar — aber bald war kein Zweifel mehr möglich.
Jack sprang auf. »Ein Motorboot! Was in aller Welt ...«
»Kommen sie etwa schon Theobald holen?« unterbrach ihn Philipp in erregtem Flüsterton. »Verflixt! Das wirft unseren ganzen Plan um.«
Auf der dunklen See war nichts zu erkennen. Aber das Geräusch kam immer näher und näher.
Philipp packte Jack am Arm und sprach leise auf ihn ein. »Da gibt's nur eins. Wir müssen jetzt sofort auf See hinausfahren. Die Feinde dürfen das Boot nicht in der Bucht finden. Sonst nehmen sie es weg, und wir sind auf-geschmissen. Kommt schnell!«
Geräuschlos standen die Kinder auf. Ohne einen Ton von sich zu geben, flog Kiki auf Jacks Schulter. Schnarr und Schnauf, die sich bereits in ihr Loch zurückgezogen hatten, kamen wieder heraus und flogen neben den dahineilenden Kindern her. Sie sagten nicht ein einziges Mal ‘Orr!’.
Unsicher stolperten die Kinder zwischen den vielen Löchern hindurch quer über die Lundekolonie. Hinauf ging's zum Felseinschnitt, die hohen Stufen hinunter zum Hafen.
Vorsicht! Vorsicht! Und dann mit fliegendem Atem und hämmerndem Herzen in das schaukelnde Boot.
Jack brachte den Motor in Gang. Philipp machte das Tau los und warf es ins Boot. Im nächsten Augenblick steuerten sie langsam aus der Bucht. Bald waren sie draußen und fuhren ein Stück in östlicher Richtung. Es war jetzt beinahe ganz dunkel.
»Wir wollen den Motor abstellen und hier warten, bis das andere Boot in die Bucht gefahren ist«, sagte Philipp.
»Ich möchte nicht gern mit ihm zusammenstoßen. Vielleicht würden die Männer uns hören.«
Sie stellten den Motor ab, und das Boot schaukelte leise auf den Wellen. Bald hörte man das fremde Motorboot sehr laut. Philipp wünschte, sie wären weiter hinausgefahren. Es wäre zu dumm, wenn man sie jetzt noch entdeckte. Aber das große Boot knatterte an ihnen vorbei, ohne seine Fahrt zu verlangsamen, und steuerte auf den heimlichen Hafen zu. Die ängstlich zusammengekauerten Kinder hatten es nur wie einen Schatten vorüberhuschen sehen.
Plötzlich hörte das Knattern auf. Die Nacht war wieder friedlich und still. Vereinzelte Vögel, die von dem Lärm aufgestört worden waren, stießen ein paar wilde Schreie aus und flogen dann wieder zu ihren Schlafplätzen auf den Felsen.
»Theobald wird sich freuen, so rasch erlöst zu werden«, brach Dina das Schweigen.
»Sicher ist er längst aus der Höhle herausgekrabbelt«, sagte Jack. »Er wird wohl bald gemerkt haben, daß ihn niemand mehr bewachte. Das Geschrei möchte ich hören, wenn die Männer entdecken, wie wir den armen Theobald gefangen haben. Und wenn sie erst erfahren, daß wir sein Boot genommen haben ...«
»Orr!« ertönte eine tiefe Stimme von der Reling.
Die Kinder fuhren zusammen. »Es müssen Schnarr und Schnauf sein«, sagte Philipp schnell gefaßt. »Wie nett von ihnen, mit uns mitzukommen!«
»Sie sind wirklich süß!« Lucy streckte die Hand nach den Vögeln aus. Tatsächlich, da hockten sie dicht nebeneinander in der Dunkelheit. Kiki
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