Die Seele der Elben
Meistersänger zu ernennen. Aber er hat jedes Mal abgelehnt. Seine Bücher sind ihm das Wichtigste auf der Welt.«
»So«, sagte Vanandel, seltsam enttäuscht. »Ein echter Bücherwurm, was?«
Garness lachte. »So könnte man es nennen, aber das ist nicht alles. Maris ist â¦Â« Er dachte nach.
Vanandel warf die Quaste in den Pudertopf zurück, dass es staubte, und fragte ungeduldig: »Was ist er?«
Garness schüttelte den Kopf. »Ich kann ihn nicht in zwei, drei dürren Sätzen charakterisieren, Vanandel. Das übersteigt meine armseligen Fähigkeiten. Er ist wie das Meer, in jedem Augenblick, von jedem Blickwinkel aus hat er eine andere Farbe oder eine andere Stimmung. Er ist kein Mensch, weiÃt du. Er ist ein Elbe, und noch dazu ein sehr merkwürdiger.«
»Merkwürdig«, wiederholte Vanandel unzufrieden. »Das ist ja eine liebevolle Beschreibung.«
Garness zupfte einen langen Faden aus dem Bettüberwurf und begann, ihn zu verknoten. »Ich war ein ziemlich wilder Junge«, sagte er. »Als Schüler des Bardensteins wahrlich nicht allzu geeignet. Die meisten sind recht ruhig dort, eher Gelehrte als Narren.« Er grinste. »Aber mein Vater war ein Gaukler, und mein GroÃvater war ein Narr, und mein Onkel ist ein Jongleur und Taschenspieler, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat â also, was soll ich sagen? Ich bin, was ich bin.«
Vanandel rührte sich nicht, aus Angst, er könne sie bemerken und verstummen. Noch nie hatte der Barde ihr so viel von sich selbst erzählt.
»Ich hatte es recht schwer in der Bardenschule«, fuhr er fort. »Ich war der Gauklerjunge, und die meisten meiner Mitschüler jüngere Söhne von Adligen oder reichen Kaufleuten. Die Schule ist nicht umsonst, man bezahlt für Kost und Logis und einen kleinen Betrag für den Unterricht«, erklärte er. »Ich habe mir mein Schulgeld selbst verdient.« Er machte eine Bewegung, als würde er Karten mischen und austeilen. »Wenn der Meisterbarde das herausgefunden hätte, wäre ich hochkant von der Schule geflogen. Einmal hätte er es fast erfahren â aber Maris hat mir den Hintern gerettet. Ich weià heute noch nicht, warum.«
»Er war einer deiner Lehrer?«, wagte Vanandel zu fragen. Garness nickte abwesend.
»Wir alle hatten bei ihm Unterricht. Er ist der Bibliothekar â und wahrscheinlich der einzige, der weiÃ, wo welches Schriftstück oder Buch zu finden ist. Jeder Bardenschüler lernt von ihm, wie man die Bibliothek benutzt.«
»Aber â er ist blind!«
Garness nickte. »Das ist er â so blind wie das Glück, das Schicksal, die Vorsehung. Er weià sich zu helfen.«
»Seine Vögel«, murmelte Vanandel.
»Alle Vögel«, erwiderte Garness. »Und ich persönlich bin mir nicht ganz sicher, was Spinnen, Mäuse und Forellen angeht.«
Vanandel schüttelte den Kopf. »Spinnen und Mäuse«, sagte sie. »Dann weiÃt du ja nie genau, ob er dich gerade beobachtet.« Sie schauderte.
»Warum interessiert er dich so?«, fragte Garness. »Er wird bald wieder abreisen. Es ist ohnehin bemerkenswert, dass er seine Bibliothek verlassen hat. Seit ich ihn kenne, ist das kein einziges Mal vorgekommen.«
Vanandel spielte versonnen mit einer Brosche in Form einer groÃen Blüte. »Maris ist ungewöhnlich«, sagte sie schlieÃlich. »Ich kenne niemanden, der so ist wie er. Das interessiert mich einfach. Nichts weiter.« Sie steckte die Brosche an ihrer Taille fest, schlüpfte in ihre Schuhe und stand auf.
»Nichts weiter, so«, murmelte Garness. »Dann bin ich ja beruhigt.« Er erhob sich ebenfalls, knöpfte sein Wams wieder zu und reichte ihr den Arm. »Wollen wir ein wenig im Park promenieren, Prinzessin? Vielleicht begegnen wir ja einem gewissen Bibliothekar.«
»Alberner Kerl«, sagte Vanandel und gab ihm einen Klaps mit ihrem Fächer.
Es war sonnig und warm im Park. Vanandel stöhnte leise und steuerte einen schattigen Platz in der Nähe des Teiches an. »Es gibt Tage, an denen ich mich weit, weit weg wünsche«, sagte sie düster.
»Das geht nicht nur dir so«, sagte Garness und kniff die Augen gegen die Sonne zusammen.
Vanandel musterte die Bäume rundum und runzelte die Stirn. »Ob er uns jetzt sieht?«, sagte sie zu sich selbst.
Garness lachte leise. »Er interessiert dich nur
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