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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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schneller schlug. »Ich habe es gehört«, sagte er unbestimmt. »Zwei seiner Leute haben sich unterhalten. Sie wussten nicht, dass ich sie hören konnte.« Das klang nicht besonders plausibel, aber ihm fiel nichts Besseres ein. Das Lügen hatte er wahrhaftig nicht studiert, vielleicht sollte er sich von Garness unterrichten lassen. Aber die böse Wahrheit, dass er ihr schon mehrmals nachgeschlichen war, brachte er nicht über die Lippen, denn er fürchtete, dass ihn das ihre Freundschaft kosten würde.
    Hadmut sah ihn scharf an. Sie schien die Lüge zu spüren, aber sie bohrte zu seiner Erleichterung nicht nach. Er hätte nicht gewusst, was er ihr hätte sagen sollen.
    Sie wandte sich zum Gehen. »Wir sehen uns morgen.«
    Er sah ihr nach, wie sie sich davonmachte, die Hände tief in die Taschen gestopft und die Schultern in der geflickten Jacke abwehrbereit hochgezogen. Niemand hätte sie für etwas anderes als einen der Burschen gehalten, die sich um diese Zeit in den schäbigen Gassen herumtrieben.
    Er zögerte einen gedankenschweren Moment lang, dann lief er ihr flink und heimlich hinterher.

Lerneburg, Feuermond, im zweiten Register
nach dem Großen Regen, Jahr des Luchses

    Ranvidar hat mich heute nach langer Zeit wieder hierhergebracht. Es ist gut so, denn ich war die Ruhe im Ordenshaus gehörig müde. Als der Ruf kam, hatte ich meine Federn und Pinsel, das Messer und das lederne Läppchen, den Reibstein und die feste Tusche in Windeseile eingerollt, das Rohrstück mit dem feinsten Seidenpapier bestückt und mir umgehängt und war so schnell unten im Hof, dass die Obere Kapellarin ein Lächeln nicht unterdrücken konnte.
    Â»So, Kastarlaijitijankorem«, sagte sie. »Hast du wieder Wind im Kopf und zappelige Füße?«
    Die Obere Kapellarin ist die Einzige, die mich bei meinem Sippennamen nennt. Korrektur: Ich glaube, sie ist die Einzige, die ihn sich merken kann, obwohl meine Brüder und Schwestern im Scriptorium wahrhaftig allesamt mit gutem Gedächtnis und einem Auge für Namen und Bezeichnungen gesegnet sind. Sie lachen, wenn die Obere Kapellarin mich derart anredet – wahrscheinlich amüsiert sie der Kontrast zwischen der Länge meines Sippennamens und meiner körperlichen Erscheinung, die wahrlich nicht die Beeindruckendste ist.
    Â»Zappelige Füße, ihr sprecht wahr, Mar Ayomida«, bestätigte ich und warf aus dem Augenwinkel einen Blick auf Ranvidar, die ruhig neben dem Tor saß und mich mit ihrem dunklen Auge anblickte. Sie neigte den Kopf, als sie meinen Blick auffing, und ich grüßte sie mit gefalteten Händen zurück.
    Die Obere Kapellarin schmunzelte wieder und vollführte mit Daumen und Zeigefinger das Zeichen des Verschlungenen Initials. »Geh also mit den Gesegneten Siglen, der Codex sei mit dir und die Geister der Scriptura mögen dich auf deinem Weg geleiten, Frar Scriptor.«
    Ich verneigte mich tief und schob mein Bündel auf dem Rücken zurecht. Sor Makani stand in ihrer saubersten Schürze einige ehrerbietige Schritte hinter der Obersten Kapellarin und reichte mir nun ein sorgfältig in große Sumkan-Blätter gewickeltes Päckchen mit Wegzehrung. Dann beugte sie sich herab, nahm meinen Kopf zwischen ihre großen, roten Hände und gab mir einen festen Kuss auf die Stirn. »Bleib nicht so lange fort und pass schön auf dich auf«, sagte sie. Ich nickte und trat hastig einen Schritt zurück, ehe sie noch einmal auf mich losgehen konnte. Ich weiß nicht, warum die Sor Küchenmeisterin so einen Narren an mir gefressen hat, aber ich habe sicher genug Spott meiner Brüder und Schwestern deswegen erdulden müssen, um einen großen Ölkrug damit zu füllen.
    Hinter mir regte sich Ranvidar, die geduldig gewartet hatte, wie es ihre Art war. »Können wir?«, fragte sie mit tiefer, klingender Stimme. »Ich möchte gerne noch bei Tag ankommen, wenn es recht ist.«
    Ich verstaute das Proviantpäckchen und kletterte auf Ranvidars Rücken. Es war nicht das erste Mal, dass ich mit ihr reiste, deshalb wusste ich, wo ich sitzen musste, ohne sie zu behindern. Ich spürte, wie sich ihre geschmeidigen Muskeln unter meinen Gliedern bewegten, als sie sich streckte. »Festhalten, Kleiner«, sagte sie und sprang empor. Der Wind rauschte um meinen Kopf, und ich unterdrückte einen Freudenschrei. Ranvidar drehte eine Runde, sodass ich das

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