Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
Vom Netzwerk:
klang eher zornig. »Das wäre nicht nötig gewesen. Ich hätte sie auch ohne deine Hilfe verjagt.« Er kam langsam näher, sein linkes Bein kaum merklich nachziehend, und folgte ihr über den Kiesweg zurück zum Haus.
    »Du hast wieder Schmerzen!«, ertönte Wurglucks Stimme streng von der Tür her. »Komm sofort mit hinauf, damit ich mir dein Bein ansehen kann.«
    Der Jäger warf Wurgluck einen wütenden Blick zu, folgte ihm aber die Treppe hoch in die Kammer. Leise schimpfte er vor sich hin, als der Erdgnom ihm den Stiefel auszog und die zerrissene Hose hochschob. Tahâma stand daneben und hielt ihren Lichtstab. Ihr Blick strich über die muskulöse Wade. Deutlich hoben sich zwei rote Narben von der ockerfarbenen Haut ab, dort, wo die Reißzähne des Wolfes in das Fleisch eingedrungen waren, aber sonst konnte sie nichts erkennen, was noch an die Verletzung erinnerte.
    Wurgluck beugte sich tief über das Bein. Er murmelte vor sich hin und strich mit seinem Zeigefinger über die gewölbten Narben. »0 nein, das ist nicht gut, nein, nein, gar nicht gut«, grummelte er.
    Tahâma wollte gerade fragen, was ihm Sorge bereitete, als auch sie die feinen Linien entdeckte. In tiefem Rot, fein verästelt, wuchsen sie wie kleine Zweige von den Narben aus in alle Richtungen. »Was ist das?«, hauchte sie.
    Der Erdgnom antwortete nicht. Er zog ein winziges Messer aus der Tasche und ritzte einen Kreis um die Linien in Ceredas’ Haut. Für einen Moment war es nur eine weiße Spur, dann quoll das Blut an dem Schnitt zu einem roten Ring auf. Céredas zuckte nicht einmal zusammen. Hastig wühlte der Gnom in seinem Bündel und zog diesmal eine verbeulte Büchse hervor, öffnete sie und nahm eine Prise schwarzen Pulvers heraus. Sorgfältig ließ er es auf den blutigen Ring herabrieseln, sodass keine Stelle unbedeckt blieb. Dann wickelte er einen Leinenstreifen fest um die Wade. »Du wirst dich bis zum Morgen nicht mehr von der Stelle rühren, mein tapferer Jäger!«, sagte er streng.
    »Meint ihr, diese Wesen haben die Dorfbewohner getötet?«, fragte Tahâma. »Sind das die Schatten, die wir sahen und deren Schreie einem das Innere erstarren lassen?«
    Wurgluck wiegte den Kopf hin und her. »Natürlich haben wir keinen Beweis, aber ich vermute schon, dass sie es waren, denen wir begegnet sind und vor denen der Mann sich so gefürchtet hat.«
    »Er sagte, der Schatten hätte seine Familie gemordet«, warf Céredas ein.
    Der Erdgnom und Tahâma sahen ihn überrascht an.
    »Ich dachte, aus ihm war kein vernünftiges Wort herauszubekommen?«, wiederholte Wurgluck die Worte des Jägers.
    »Ich wollte euch nicht beunruhigen.«
    »Und warum der Schatten? Es waren doch mehrere«, hakte der Erdgnom nach.
    Céredas schüttelte den Kopf. »So hat er sich ausgedrückt. Ich bin mir ganz sicher.«
    »Seltsam, seltsam. Ich muss darüber nachdenken, und ihr legt euch nun unter eure Decken und schlaft.«
    Um Céredas’ Mundwinkel zuckte es unwillig, aber er sagte nichts. Mit Tahâmas Hilfe schob der Erdgnom die Truhe wieder vor die Tür. Er holte seinen Beutel mit Tabak, kletterte auf die Truhe und setzte sich mit verschränkten Beinen auf den bemalten Holzdeckel. In Ruhe stopfte er seine Pfeife und steckte dann das Kraut mit seiner glühenden Kohle in Brand.
    Fast völlig reglos saß er dort und bewachte Céredas’ und Tahâmas Schlaf, bis der Morgen anbrach.
    Kaum war es hell genug, zog Wurgluck sein Buch hervor, um seine Notizen fortzuführen. Erst nachdem er eine ganze Seite mit krakeligen Schriftzeichen bedeckt hatte, weckte er den Jäger, um das Bein noch einmal zu betrachten. Erleichtert sah er, dass die Linien um die Bisswunde des Werwolfs verschwunden waren.
    In der Morgendämmerung setzten die drei Gefährten ihren Weg fort. Hinter dem Dorf lagen ausgedehnte Weiden, auf denen eine Gruppe Pferde graste. Céredas fing einen prächtigen schwarzen Hengst ein, schwang sich auf seinen Rücken und jagte mit hellem Ruf den fliehenden Pferden hinterher. Eine feingliedrige Stute, gleichfalls mit schwarzem Fell und mit weißer Stirn, drängte er in einen Felsspalt ab. Das Tier zögerte einen Moment, und schon hatte Céredas ihm einen Riemen um den Hals gezurrt. Eine Weile wehrte sich die Stute noch, bäumte sich auf und versuchte die Fesseln abzuschütteln, dann aber ließ sie sich zum Weg zurückführen, wo Tahâma und Wurgluck warteten.
    »Kannst du reiten?«, fragte Céredas, als er dem Mädchen das Seil in die Hand drückte.
    Tahâma strich

Weitere Kostenlose Bücher