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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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dem dritten gab es Stoffe und allerlei Küchengerätschaft.
    Am Ende dieses Platzes ragte ein zweistöckiges Gebäude über die niedrigen Behausungen der Umgebung auf. Ein großes Schild, das an einer Kette hing, verkündete, dass es sich um das Gasthaus »Zur sicheren Ruh« handelte. Hinter den runden, mit Pergament bespannten Fenstern glomm goldenes Licht. Stimmengemurmel drang bis hinaus auf die Gassen.
    »Sollen wir hineingehen?«, fragte Tahâma unsicher. »Vielleicht erfahren wir etwas. Hier scheinen viele Bewohner und Reisende ein und aus zu gehen.«
    Céredas zuckte die Schultern. »Wir können es versuchen, allerdings habe ich nichts, womit ich Speise oder Trank bezahlen könnte.«
    Tahâma griff in ihr Bündel, zog einen seidenen Beutel hervor und öffnete das Zugband. Mit großen Augen sah der Jäger auf die farbigen, geschliffenen Steine, die im Sonnenlicht glänzten.
    Wurgluck reckte sich, um auch in den Beutel sehen zu können. »Wundervoll«, hauchte er und sah einen Moment versonnen auf die schimmernden Kristallflächen, dann wandte er sich ab und lief auf die Tür des Gasthauses zu. »Kommt, gehen wir hinein!« Da er den Türgriff selbst auf Zehenspitzen nicht erreichen konnte, musste er warten, bis Céredas und Tahâma ein Stück weiter neben einer Scheune die Pferde angebunden hatten.
    Abgestandene Luft und ein Geruch nach Pfeifenkraut und Malzbier schlugen ihnen entgegen, als Céredas die Tür aufstieß. Sie blieben einige Augenblicke stehen, um ihre Augen an die Düsternis zu gewöhnen. In dem offenen Kamin brannte zwar ein mächtiges Feuer, doch ansonsten spendeten nur zwei Kerzen auf der langen hölzernen Theke und die mit Pergament verschlossenen Fenster ein wenig Licht. Fast alle Tische waren mit Männern vom Schlag der Bauern und Handwerker besetzt, die sie draußen auf den Feldern und in den Gassen gesehen hatten.
    Tahâma hatte sich vorgenommen, jeden Gast nach ihrer Sippe zu fragen, nun aber stimmte sie erleichtert zu, als der Jäger vorschlug, sich erst einmal an einen kleinen, freien Tisch etwas abseits in eine Nische zu setzen. Eine derbe Frau brachte ihnen heißen Blaubeersaft und eine Schüssel Gemüsesuppe mit grauem Brot. Schweigend aßen sie, ließen die Blicke schweifen und lauschten den Gesprächen an den Nachbartischen. Ab und zu sah einer der Gäste auf und musterte die Fremden, aber niemand kam zu ihnen herüber. Die Leute sprachen von ihrer Arbeit, über die Ernte und die schlechten Zeiten, in denen man die Familie nur mit Mühe satt bekommen konnte.
    Plötzlich spitzte Wurgluck die Ohren und stieß Tahâma, die neben ihm saß, in die Rippen. Am Nebentisch beugten sich drei Männer nach vorn, ihre Stimmen wurden zu einem rauen Flüstern.
    »Den Petrolov von der Mühle hat es erwischt«, hörten sie einen Alten mit besonders langem Bart sagen. »Seine ganze Familie soll verschwunden sein. Sie haben nicht eine Leiche gefunden!«
    Tahâma konnte die Angst der Männer spüren.
    »Vielleicht ist er endlich weggezogen«, warf ein Jüngerer ein und schob sich ein Stück Wurst in den Mund. »Lange genug hat er davon gesprochen.«
    Der Alte lachte freudlos auf. »Weggezogen? Und seine ganze Habe zurückgelassen? Sogar die Becher mit Wein standen noch auf dem Tisch!« Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich sage euch, er hat ihn geholt und mit ihm sein Weib und seine drei Kinder.« Die Männer schwiegen einige Augenblicke und starrten in ihre Krüge.
    »Verzeiht«, vernahm Tahâma plötzlich eine wohl bekannte Stimme. Erst jetzt bemerkte sie, dass der Erdgnom nicht mehr neben ihr saß. Die Nase nach oben gereckt, stand er am Nebentisch und versuchte die Aufmerksamkeit der drei Männer zu erlangen. »Verzeiht, meine Herren«, wiederholte er ein wenig lauter und stellte sich auf die Zehenspitzen.
    Die Männer sahen ihn verwundert an. »Was bist du denn für einer?«, fragte der Alte. »So was haben wir hier noch nicht gesehen.«
    »Ich bin ein Erdgnom aus dem Silberwald und heiße Wurgluck«, antwortete er würdevoll und verbeugte sich. »Ich habe euch angesprochen, weil mir eine Frage auf der Zunge brennt.«
    Die Männer starrten ihn noch immer verwundert an.
    »Nun, dann heraus mit deiner Frage, kleiner Mann«, forderte ihn der Alte auf.
    Wurgluck plusterte sich noch ein wenig auf, dann platzte es aus ihm heraus: »Wer ist er, den ihr offenbar nicht beim Namen zu nennen wagt?«
    Bestürzung malte sich auf den Mienen der drei Männer. Zwei von ihnen sprangen auf und leerten hastig ihre

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