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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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großes Theater ist, kann ich nicht sagen. Bisher hält er seine Ergebnisse streng geheim.« Sie gähnte. »Außerdem will er herausfinden, wie und warum Nazagur wächst und wodurch der Lord seine Kräfte erhält.«
    Das Feuer brannte nieder, und die Wärme machte sie schläfrig. Tahâma legte sich auf eines der weichen Polster und schob sich den zusammengefalteten Umhang unter den Kopf. Kurz darauf war sie eingeschlafen. Auch Aylanas und Céredas’ Atem ging bald schon regelmäßig. Nur Wurgluck saß noch immer mit untergeschlagenen Beinen auf seinem Polster.
    Meister Ýven kehrte zurück, kramte diverse Gegenstände aus einer Kiste und trug sie hinaus. Kurz darauf kam er wieder, zog ein dunkles Tuch herab und enthüllte ein metallenes Gerät mit vielen Spiegeln. Stöhnend hievte er es sich auf den Rücken und schleppte es hinaus. Nun hielt es Wurgluck nicht mehr aus. Neugierig folgte er dem echsengestaltigen Forscher in die Nacht hinaus.
    Draußen unter dem Sternenhimmel sah sich der Erdgnom um. Die Felsen des Rings ragten wie riesige Finger rund um ihn auf. Wurgluck drehte sich um seine Achse. Wo war Meister Ýven hingegangen? Da, auf dem Dach der Hütte bewegte sich etwas! Der Gnom strengte seine Augen an. Ja, dort oben war er und spähte durch ein langes Rohr. Wie war er dort hinaufgekommen, und wie konnte er sich auf der Kuppel halten? Wurgluck tastete über die glatte Außenschicht der Hütte. Langsam umrundete er die Behausung des Forschers. Auf der Rückseite stieß er auf schmale Tritte, die nach oben führten, und ein Seil, das um mehrere Rollen lief. Klettern war nicht Wurglucks Sache, doch die Wissbegierde war stärker, und so hangelte er sich Stufe für Stufe nach oben, bis er am Scheitel eine kleine Plattform erreichte.
    »Ah, der Herr Gnom ist noch wach«, schnarrte die Echse. Unverwandt sah sie durch ihr Fernrohr.
    Wurgluck, dem es in dieser luftigen Höhe etwas schwindlig wurde, setzte sich rasch. »Ja, Meister Ýven. Ich würde mich gern ein wenig mit Euch über Eure Forschungen unterhalten, wenn Ihr erlaubt.« Er schwieg eine Weile und sah den Forscher an, der noch immer durch das Rohr starrte. »Was könnt Ihr erkennen?«
    Die Echse bewegte sich nicht. »Alles wiederholt sich. Es ist ein stetiger Kreislauf.«
    Wurgluck zuckte mit den Schultern. »War das nicht schon immer so? Die Monde füllen sich und nehmen wieder ab, und dann fängt alles wieder von vorne an.«
    Nun wandte Meister Ýven den schuppigen Kopf und sah den Gnom an. »Es geht etwas Seltsames vor sich. Die Schleifen zwischen Anfang und Vergehen werden enger. Das Einzigartige vergeht und wird zum Gleichen gezwungen.«
    Wurgluck schüttelte den Kopf. »Ihr sprecht in Rätseln, Meister Ýven. Ich verstehe nicht, was Ihr meint.«
    Die Echse wandte sich wieder dem roten Mond zu. »Ich verstehe es auch nicht. Nicht nur unser Land verändert sich, auch der Himmel ist nicht mehr der, der er noch vor tausend Jahren war. Früher gab es gute und schlechte Nächte, freundliche und böse, aber wenn meine Berechnungen stimmen, dann wird bald nur noch der Albtraum übrig bleiben. Der rote Mond verdrängt den silbernen.«
    »Wollt Ihr damit sagen, dass der silberne Mond bald nie mehr am Himmel zu sehen sein wird? Aber warum? Was hat das zu bedeuten?«
    »Es bedeutet, dass eine Nacht der anderen gleicht bis in alle Ewigkeit.«
    Wurgluck kaute auf seiner Unterlippe. Was machte es schon, ob der Mond wanderte oder stillstand, ob ein roter oder ein silberner nachts Licht spendete? Vielleicht war es nur ein Irrglaube, dass das Böse in Rubus’ Licht besser gedieh.
    »Könnt Ihr Euch an das Gesicht auch nur eines einzigen Nazagurs erinnern?«, wechselte der Forscher plötzlich das Thema.
    Wurgluck überlegte, dann schüttelte er den Kopf. »Sie sehen einander so ähnlich«, entschuldigte er sich.
    Meister Ýven nickte. »Ja, genau. Das war früher nicht so. Daher frage ich mich: Was steckt dahinter? Vielleicht ist es nicht mehr wichtig, dass sie sich unterscheiden.«
    »Nicht mehr wichtig? Wie meint Ihr das?«
    »Vielleicht erfüllen sie auch so ihren Zweck?«
    Der Gnom runzelte die Stirn. »Zweck? Warum sollten Männer und Frauen einen bestimmten Zweck erfüllen?«
    Die Forscherechse legte die Fingerspitzen aneinander. »Lasst es mich so erklären. Alles auf dieser Welt ist in Ursache und Wirkung unterteilt. Sie können nicht ohne einander existieren. Die Wirkung ist: Alles wird einander gleich. Die große Frage lautet also: Was ist die

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