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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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für die von den Tashan Gonar so geliebten Windharfen. Ihr Klang war wie ein belebender Sommerregen.
    Unâg führte sie zu dem größten Haus in der Mitte des Dorfes. Es stand in einem Ring aus Blumen. Große blaue Blüten, die wie Schmetterlinge schillerten, rankten sich an der geweißelten Wand empor. Die hölzernen Fensterläden waren liebevoll bemalt. Tahâma und ihre Freunde traten in eine weiträumige Diele. Die Tür war so niedrig, dass sich Céredas unter dem Balken hindurchbücken musste.
    Die Halle wurde fast vollständig von Tischen und Bänken eingenommen, die zusammen ein lang gezogenes Rechteck bildeten. Vermutlich boten sie allen Dorfbewohnern Platz. In der Mitte war eine offene Feuerstelle, in der schon frisches Holz für den Abend aufgeschichtet war. An den Wänden hingen Flöten und andere Blasinstrumente.
    Wie es der Brauch war, trafen sich die Tashan Gonar jeden Abend, um zu musizieren und zu singen, an ihren Kunstwerken zu arbeiten oder Gedichte zu lesen, erklärte Tahâma dem Jäger und dem Gnom. Hinten an der Wand, an der Schmalseite des Tisches, standen drei Stühle etwas erhöht. Sie waren bequem gepolstert und hatten schlanke, bemalte Lehnen. »Das sind die Plätze für die großen Drei der Stadt: Thurugea, die Mutter der Harmonie, Granho, den Sohn des Rhythmus, und für meinen Vater Rothâo, den Vater der Melodie«, fügte sie hinzu und trat an den linken Stuhl heran. »Wer wird hier schon bald Platz nehmen?«, murmelte sie.
    »Wer weiß, vielleicht wird es einst dein Platz sein, mein Kind«, sagte eine gütige Stimme. Aus dem Schatten trat eine winzige Frau, die Céredas kaum bis zur Brust reichte. Sie war sehr alt, ihr Haar fiel in silbernen Flechten bis zu ihren Knien herab, und dennoch war ihre Haut glatt und schimmerte wie Perlmutt, ihr Körper war schlank, und sie bewegte sich mit jugendlicher Anmut.
    Tahâma verbeugte sich, kniete nieder und küsste die zerbrechlich wirkende Hand. »Thurugea, verehrte Mutter, ein Mordoloc hat ihn getötet! Ich konnte ihm nicht helfen. Ach, wenn Ihr und Granho nur da gewesen wärt. Gemeinsam hätte Euer Lied die Bestien besiegt.«
    Die Frau neigte den Kopf und strich über Tahâmas Haar. »Weine nicht mehr, mein Kind. Er wird in einem anderen Wesen Phantásiens wiederkehren.« Sie sah den Jäger und den Erdgnom aufmerksam an. »Ruht euch nun aus, liebe Gäste. In der Stunde nach Sonnenuntergang werden sich alle hier versammeln und mit Spannung der Geschichte eurer Reise lauschen.«
    Thurugea selbst führte die drei durch das Dorf zu einer neu errichteten Hütte mit schmalen Glasfenstern und einem winzigen Gärtchen vor der rot bemalten Tür. Ein gläsernes Windspiel drehte sich langsam, und kleine Glöckchen klangen, wenn ein Hauch über sie strich. Das Häuschen hatte zwei Räume, einen größeren mit einer Feuerstelle, Tisch und Eckbank und eine kleine Kammer mit einem breiten Bett. Hier ruhten die Freunde, bis es Zeit war, in die Halle zurückzukehren.
    Als die letzten Sonnenstrahlen auf den Schleierwolken verblasst waren, machten sich die Gefährten wieder auf den Weg zum Versammlungshaus. Sie kamen nur langsam voran. Immer wieder musste Tahâma Hände berühren, Bekannte begrüßen oder Freunde in die Arme schließen, doch endlich gelangten sie zum Dorfmittelpunkt und betraten das große Haus. In der Halle brannte nun ein helles Feuer, und auf den Tischen waren kleine, silberne Lämpchen verteilt. Es wurde Met und Blütensaft in zierlichen Gläsern ausgeschenkt, auf den Tischen standen Schalen mit Früchtemus, süßen Kuchen, Honigfrüchten und Schmetterlingen aus hauchdünnem Blätterteig, mit einer Creme aus Nüssen gefüllt.
    Tahâma und die fremden Gäste bekamen Ehrenplätze neben der Mutter der Harmonie und dem Sohn des Rhythmus. Der Platz des Toten blieb frei. Ein rasch gewundener Blumenkranz mit silbernen Glöckchen zierte die Rückenlehne. Eine gläserne Schale voll kleiner Kristallsplitter stand auf seinem Sitz. Leise Töne stiegen aus ihr auf und schwebten über dem Sessel.
    Die beiden Weisen des Dorfes ließen den Freunden Zeit, sich umzusehen, zu essen und zu trinken. Sie lauschten einer Ballade, die Granho mit wohlklingender Stimme vortrug, anschließend spielten zwei junge Mädchen auf gläsernen Harfen, während ein älterer Mann Gedichte rezitierte.
    Als es wieder still wurde, wandte sich der Sohn des Rhythmus an Tahâma und forderte sie auf, von ihrer Reise zu berichten und vom Tod ihres verehrten Vaters, der die Tashan Gonar so

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