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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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setzten ihren Weg fort, ohne sie zu beachten.
     
    »Es muss doch noch etwas anderes geben außer frischem Fleisch, das sie interessiert«, sagte Tahâma zum wiederholten Mal. Ruhelos ging sie vor dem kleinen Feuer auf und ab. Die Stute hatten sie innerhalb des Lichtscheins angebunden.
    Weder sie noch der Erdgnom wollten in dieser Nacht Schlaf finden. Die beiden Monde schienen hell vom Himmel und beleuchteten die karge Felslandschaft.
    »Mir fällt nichts ein«, sagte Wurgluck, der mit untergeschlagenen Beinen am Feuer saß. »Wenn wir nur Meister Ýven gefragt hätten!«
    Schweigend grübelten sie vor sich hin, konnten jedoch keine Antwort finden. Als die Sonne aufging, wussten sie noch immer nicht, wie es weitergehen sollte. Sollten sie vielleicht ziellos durch das Land irren, in der Hoffnung, irgendwann auf die Burg des Lords zu stoßen?
    Plötzlich hob Tahâma lauschend den Kopf. »Hörst du das?«, wisperte sie dem Erdgnom zu.
    Wurgluck nickte und erhob sich langsam. »Crachna«, flüsterte er.
    Ja, es war die helle Stimme der Spinnenfrau. Redete sie mit sich selbst, oder hatte es noch einen Ratsuchenden in diese einsame Gegend verschlagen? Hatte sie sich gar ein ahnungsloses Opfer gegriffen? Tahâma warf ihr Bündel über die Schulter und eilte, hinter Steinblöcken Deckung suchend, auf die Stimme zu. Wurgluck folgte ihr. Crachnas Stimme wurde deutlicher, und bald konnten sie die Worte verstehen, die sie in schrillem Klagen ausstieß.
    »Kein klares Wasser mehr weit und breit. Trüb sind sie, und mit jedem Tag verlischt mehr vom Glanz des Spiegels, doch wir können kein reines Wasser finden, um sie zu erfrischen. Wehe uns, die Zeit der sehenden Augen geht zu Ende. Wehe, wehe, einmal erloschen, werden sie nie wieder erstrahlen.
    Verflucht seien der Lord und seine Feste. Wie ein Geschwür breiten sich Tod und Verderben um sie aus. Kein lebender Baum, kein Grün, nur Öde und vergiftetes Wasser um sie her!«
    Beherzt trat Tahâma hinter dem Felsblock vor. Crachna, nun wieder in ihrem schlanken Frauenkörper, kauerte vor einem fast ausgetrockneten Tümpel. Das Wasser roch modrig. Schwarze Schlieren kreisten auf der Oberfläche. Nur undeutlich spiegelte sich darin die Gestalt der Spinnenfrau.
    »Was willst du? Dich an meinem Unglück weiden?«, fauchte Crachna und erhob sich. »Glaube ja nicht, wir könnten dir nicht mehr gefährlich werden. Wir werden dich aussaugen!«, fauchte sie und kam langsam näher.
    Tahâma zeigte keine Furcht. Sie griff in ihren Beutel und holte eine kleine Flasche heraus. »Wisst Ihr, was das ist, Dame Crachna?«, fragte sie ruhig. »Ich könnte Eure Augen heilen. Aber wenn Ihr es vorzieht, mich auszusaugen und dafür Euren Blick für immer zu verlieren ...»
    Crachna hielt inne. »Was hältst du da in deinen Händen?«
    Tahâma sah, dass die gläsernen Augen heute neblig beschlagen waren. »Reines Kristallwasser aus den Nanuckbergen. Ein Schluck löscht den Durst eines Tages, ein Tropfen reinigt eine schwärende Wunde. Wenn man die Flasche nie mehr als bis zur Hälfte leert, bildet es sich über Nacht wieder neu. Wenn Ihr bereit seid, alle meine Fragen zu beantworten, ist es Euer.«
    »Was sollte uns hindern, die Flasche zu nehmen und dich dennoch auszusaugen?«, fragte sie.
    Tahâma reichte Wurgluck das Fläschchen. »Wenn Ihr mir etwas antut, wird der Erdgnom die Phiole an diesem Felsen zerschellen lassen.«
    Crachna hielt inne. »Nun gut«, sagte sie langsam. »Es ist ein faires Geschäft. Ich werde deine Fragen beantworten und dich in meine Spiegel sehen lassen, aber zuerst muss ich meine Augen baden. Sie sind ermüdet und können nichts erkennen. Wenn du etwas erfahren willst, musst du sie als Erstes mit Kristallwasser benetzen.«
    Das Mädchen nickte und ignorierte Wurglucks warnendes Flüstern.
    »Sie ist falsch!«, zischte er. »Sieh dich vor!«
    »Gut«, sagte Tahâma laut. »Es würde Euch ohnehin nicht helfen, wenn Ihr mich zu betrügen suchtet.«
    Crachna runzelte die Stirn. »Und warum nicht?«
    »Weil ich den Kristall aus dem Wasser genommen habe, der es immer wieder erfrischt und die Flasche über Nacht wieder voll werden lässt. Gebt Euch keine Mühe! Weder ich noch der Gnom haben ihn bei uns, und auch in dem Bündel, das unser Pferd auf dem Rücken trägt, würdet Ihr ihn nicht finden.«
    Wurgluck warf Tahâma einen überraschten Blick zu, sagte aber nichts.
    Crachna stand einige Augenblicke wie erstarrt da, dann öffneten sich ihre Lippen, und ein gurgelndes Lachen

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