Die Seele des Feuers - 10
Raum zu lassen, herauszufinden, was immer sich herausfinden ließ. Er war mit den beiden hakenischen Burschen zufrieden. Alles deutete darauf hin, daß sie ihr eine Höllenangst eingejagt hatten. Ihr wankender Gang ließ vermuten, daß sie ihr die Nachricht offenbar genau so übermittelt hatten, wie er sie übermittelt sehen wollte. Mit Gewalt begriffen die Menschen Anweisungen stets schneller.
Er empfand Genugtuung, daß er Snip richtig eingeschätzt hatte. So wie der Junge Daltons Schwert angestarrt hatte, hatte er sofort Bescheid gewußt. Der Junge war ehrgeizig. Morley war ebenfalls zu gebrauchen, wenn auch nur als Schläger, er hatte wohl nichts als Gewalt im Kopf. Snip begriff die Anweisungen schneller und würde, eifrig wie er war, von größerem Nutzen sein. In diesem Alter hatten sie noch keinen Schimmer, wie wenig sie tatsächlich wußten.
Dalton schüttelte einem Mann die Hand, der sich auf ihn gestürzt hatte, um ihm ein Kompliment über seine neue Stellung zu machen. Er setzte eine höfliche Miene auf, konnte sich aber weder an den Namen des Mannes erinnern, noch lauschte er auf dessen überschwengliche Lobhudeleien. Dalton war mit seiner Aufmerksamkeit woanders.
Direktor Linscott war soeben dabei, ein Gespräch mit einem untersetzten Mann über die Besteuerung von Weizen zu beenden, der in dessen Lagerhaus eingelagert war. Keine geringe Angelegenheit, wenn man die unermeßlichen Kornbestände bedachte, die Anderith besaß. Dalton befreite sich ebenso höflich wie kühl von dem namenlosen Herrn und schob sich näher an Linscott heran.
Als der Direktor sich umwandte, lächelte er ihm freundlich zu und umklammerte seine Hand, bevor dieser Gelegenheit hatte, sie zurückzuziehen. Er hatte einen festen Griff – und noch immer die Schwielen seines arbeitsreichen Lebens an den Händen.
»Ich bin überaus erfreut, daß Ihr es einrichten konntet, zum Fest zu kommen, Direktor Linscott. Ich hoffe, Ihr genießt den Abend bis jetzt. Der Minister wünscht noch so viel zu besprechen.«
Direktor Linscott, ein großer, drahtiger Mensch mit von der Sonne faltig gewordenem Gesicht, das stets wirkte, als plage ihn ein immerwährender Zahnschmerz, erwiderte das Lächeln nicht. Die vier ältesten Direktoren waren Zunftmeister. Einer stammte aus der einflußreichen Tuchmachergilde, einer aus der daran angeschlossenen Papiermachergilde, ein weiterer war Waffenschmiedmeister, dazu Linscott. Linscott war Steinmetzmeister. Bei den meisten der übrigen Direktoren handelte es sich um angesehene Geldverleiher oder Kaufleute, hinzu kamen ein Rechtsbeistand und mehrere Anwälte.
Direktor Linscotts Überzieher war altmodisch geschnitten, aber sehr gepflegt, zudem paßte der warme Braunton gut zum feinen, grauen Haar des Mannes. Auch sein Schwert war alt, doch die ausgezeichneten Messingarbeiten an Öffnung und Spitze der Lederscheide waren blankpoliert. Das Silberemblem – der Meißel des Steinmetzes – hob sich als glänzender Umriß von dem dunklen Leder ab. Zweifellos war die Klinge des Schwertes in ebenso makellosem Zustand wie alles andere an diesem Mann.
Linscott versuchte nicht absichtlich, Menschen einzuschüchtern, es schien einfach ein ganz natürlicher Zug von ihm zu sein. Er betrachtete das Volk der Anderier, jene Menschen, die auf den Feldern arbeiteten, die Fischernetze einholten oder über das Zunfthaus in einem Gewerbe angestellt waren, als seine Jungtiere.
»Ja«, erwiderte Linscott, »ich habe die Gerüchte ebenfalls vernommen, daß der Minister große Pläne hat. Wie ich höre, spielt er mit dem Gedanken, den dringenden Rat der Mutter Konfessor in den Wind zu schlagen und mit den Midlands zu brechen.«
Dalton breitete die Hände aus. »Ich begehe sichtlich keinen Fauxpas, wenn ich Euch aus meiner Kenntnis der Lage heraus erkläre, daß Minister Chanboor die feste Absicht hat, für unser Volk die besten Bedingungen herauszuschlagen. Nicht mehr und nicht weniger.
Nehmt zum Beispiel Euch selbst. Was wäre, wenn wir uns dem neuen Lord Rahl ergäben und uns dem d’Haranischen Reich anschlössen? Lord Rahl hat erklärt, sämtliche Länder müßten ihre Souveränität aufgeben – anders als in unserem Bund mit den Midlands. Vermutlich würde das bedeuten, daß er keine Verwendung mehr hätte für die Direktoren kultureller Zusammenarbeit.«
Linscotts sonnengebräuntes Gesicht wurde vor Erregung rot. »Hier geht es nicht um mich, Campbell. Es geht um die Freiheit der Völker der Midlands. Um ihre Zukunft.
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