Die Seele des Feuers - 10
beängstigendes Werkzeug, wenn man gezwungen war, sich seiner zu bedienen.
Wer dieses Schwert führte, dem oblag nicht nur die Kontrolle über die Waffe, sondern auch über sich selbst. Dies zu begreifen war unter anderem entscheidend, wenn man die Waffe ihrer Bestimmung gemäß benutzen wollte. Und bestimmt war diese Waffe ausschließlich für einen echten Sucher der Wahrheit.
Richard schauderte bei der Vorstellung, diese Erfindung der Magie könnte in die falschen Hände geraten. Er dankte den Guten Seelen, daß es, wenn er es schon nicht bei sich tragen konnte, wenigstens in Sicherheit war.
Unterdessen kam der Mann unter den fernen, sich hoch auftürmenden Wolken, deren Innenleben im morgendlichen Licht in tiefem Gelb bis hin zu beunruhigendem Violett erglühte – Farben, die auf die Heftigkeit des in ihnen verborgenen Unwetters hindeuteten –, immer näher. Im Innern des enormen Wolkengebirges zuckte und flackerte ein auf diese Entfernung lautloser Blitz und brachte verborgene Schluchten, Talwände und wallende Gipfel zum Aufleuchten. Verglichen mit anderen Orten, an denen er gewesen war, wirkten Himmel und Wolken über den flachen Ebenen unfaßbar grandios. Vermutlich, weil von einem Ende des Horizonts bis zum anderen nichts – kein Berg, kein Baum, überhaupt nichts – das Schauspiel auf der Bühne des Himmelsgewölbes störte.
Die abziehenden Gewitterwolken waren erst kurz vor dem Morgendämmern endlich nach Osten weitergezogen und hatten den Regen mitgenommen, der ihnen während ihres Aufenthaltes bei den Schlammenschen so sehr zu schaffen gemacht hatte. Es war ihr erster Reisetag und ihre erste erbärmlich kalte Nacht ohne ein Lagerfeuer gewesen. Im Regen unterwegs zu sein war überaus unangenehm. Die drei waren, so kurz nach Abzug des Regens, noch immer gereizt.
Wie er, war auch Kahlan besorgt um Zedd und Ann, zudem beunruhigte es sie, was der Lauer als nächstes anstellen würde. Außerdem war es frustrierend, eine langwierige Reise unternehmen zu müssen, wenn sie es so eilig hatten und die Angelegenheit so wichtig war, statt kurzerhand in der Sliph nach Aydindril zurückzukehren.
Richard wäre um ein Haar bereit gewesen, das Risiko einzugehen. Um ein Haar.
Cara dagegen schien eine ganz andere Sorge zu beschäftigen. Sie war so übellaunig wie eine im Sack gefangene Katze. Er verspürte nicht das geringste Bedürfnis, hineinzugreifen und sich zerfleischen zu lassen. Wenn es wirklich wichtig war, davon ging er aus, würde sie es ihnen schon erklären.
Außerdem machte Richard der Umstand zu schaffen, daß er jetzt, da es Ärger zu geben schien, sein Schwert nicht bei sich trug. Er befürchtete, der Lauer könnte versuchen, Kahlan etwas anzutun, jetzt, da er sie nicht beschützen konnte. Auch ohne den durch die Schwestern der Finsternis ausgelösten Ärger drohten einem Konfessor eine Menge ganz gewöhnlicher Gefahren, darüber hinaus gab es eine ganze Reihe von Personen, die ihre Hilflosigkeit nur zu gerne ausnutzen würden, um alte Rechnungen zu begleichen.
Jetzt, da der Bann die Magie zerfraß, würde ihre Konfessorenkraft früher oder später dahingeschwunden sein, und sie würde auf ihren Schutz verzichten müssen. Er mußte sie unbedingt beschützen können, doch ohne sein Schwert befürchtete er, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein.
Jedesmal, wenn er nach seinem Schwert griff und es nicht da war, empfand er ein Gefühl der Leere, das er nicht in Worte zu kleiden vermochte. Ihm war, als fehlte ein Stück von ihm selbst.
Richard war allerdings auch noch aus einem anderen Grund wegen ihrer Reise nach Aydindril unbehaglich zumute. Irgend etwas schien daran verkehrt zu sein. Er versuchte es mit der Sorge um Zedd zu erklären, den er in geschwächtem und verletzbarem Zustand zurückgelassen hatte. Zedd hatte ihm jedoch zu verstehen gegeben, er habe keine andere Wahl.
Bis zu dem Augenblick, da er den Fremden erblickt hatte, schien ihr zweiter Tag sonnig, trocken und insgesamt angenehmer zu werden. Richard setzte die Bogensehne leicht unter Spannung. Seit ihrer Begegnung mit dem Hühnerwesen und weil mittlerweile so viel auf dem Spiel stand, hatte er nicht die Absicht, jemanden in ihre Nähe zu lassen, solange er nicht fest davon überzeugt war, daß es sich um einen Freund handelte.
Richard runzelte die Stirn und sah zu Kahlan hinüber. »Weißt du was, wenn ich mich recht erinnere, hat mir meine Mutter mal eine Geschichte über eine Katze namens ›Lauer‹ erzählt.«
Eine Hand im Haar,
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