Die Seele des Feuers - 10
unterzog. »Dann hast du also wirklich nie im eigentlichen Sinn des Wortes eingewilligt, sie zu ehelichen?«
Richard warf die Hände in die Höhe. »Das versuche ich dir doch die ganz Zeit zu erklären. Es handelt sich schlicht um einen Glauben der Baka Ban Mana.«
»Baka Tau Mana«, verbesserte Du Chaillu.
Richard achtete nicht auf sie, sondern beugte sich ganz nahe zu Kahlan. »Tut mir leid, aber könnten wir vielleicht später darüber reden? Möglicherweise haben wir es mit einem ernsten Problem zu tun.« Sie zog eine Braue hoch. Er verbesserte sich. »Mit einem weiteren ernsthaften Problem.«
Sie bedachte ihn mit einem nachsichtigen Stirnrunzeln. Er wandte sich ab, zupfte einen Grashalm ab und dachte darüber nach, wie wahrscheinlich ein Problem war, das größer war als Kahlans Zorn.
»Du bist in Magie bewandert. Ich will damit sagen, du bist in Aydindril bei dem Zauberer aufgewachsen, der dich ausgebildet hat, und du hast Bücher in der Burg der Zauberer studiert. Du bist die Mutter Konfessor.«
»Ich verfüge nicht im üblichen Sinne über die Gabe«, wandte Kahlan ein, »nicht so wie ein Zauberer oder eine Hexenmeisterin – meine Kraft ist anderer Natur –, aber du hast Recht, ich kenne mich mit Magie aus. Als Konfessor mußte ich in vielen der unterschiedlichsten Erscheinungsformen von Magie unterrichtet werden.«
»Dann beantworte mir folgende Frage, angenommen, die Magie verlangt nach einer bestimmten Bedingung. Kann diese Bedingung von einer nicht eindeutig definierten Regel erfüllt werden, ohne daß das darin geforderte Ritual tatsächlich stattfindet?«
»Ja, natürlich. Man nennt das den Spiegeleffekt.«
»Den Spiegeleffekt. Und wie funktioniert das?«
Kahlan wickelte eine lange, nasse Locke um ihren Finger und nahm sich der Frage an. »Angenommen, ein Zimmer hat nur ein einziges Fenster, so daß das Sonnenlicht niemals in eine bestimmte Ecke fällt. Kann man das Sonnenlicht dazu bewegen, in eine Ecke zu leuchten, in die es normalerweise nicht fällt?«
»Da es Spiegeleffekt genannt wird, schätze ich, man benutzt dazu einen Spiegel.«
»Richtig.« Kahlan ließ die Locke los und hob einen Finger. »Obwohl das Sonnenlicht selbst nie in die Ecke hineinscheinen könnte, kann man es dennoch mit Hilfe eines Spiegels an eine Stelle lenken, an die es normalerweise nicht fiele. Magie funktioniert manchmal ganz ähnlich. Selbstverständlich ist Magie erheblich komplizierter, aber so läßt es sich am einfachsten erklären.
Und sei es nur aufgrund eines uralten Gesetzes, das eine längst vergessene Bedingung erfüllt – der Bann kann diese Bedingung dahingehend ablenken, daß sie die verborgenen Voraussetzungen der betreffenden Magie erfüllt. Ganz ähnlich dem Wasser, das sich stets allein seinen Pegel sucht, so sucht auch ein Bann seine Lösung selbst – innerhalb der Gesetze seiner Natur.«
»Das hatte ich befürchtet«, brummte Richard.
Er tippte sich mit dem Grashalm gegen die Zähne und heftete den Blick auf die Blitze, die unheilverkündend in den weit entfernten Wolken zuckten.
»Die betreffende Magie stammt aus der Zeit der uralten Verfügung über den Caharin«, sagte er endlich. »Darin liegt das Problem.«
Kahlan packte seinen Arm und drehte ihn zu sich um. »Aber Zedd meinte…«
»Er hat uns angelogen. Ich bin darauf reingefallen.« Verzweifelt schleuderte Richard den Grashalm von sich. Zedd hatte das Erste Gesetz der Magie angewandt – die Menschen glaubten eine Lüge, entweder weil sie sie für wahr hielten oder weil sie fürchteten, sie könnte wahr sein – und hatte sie in die Irre geführt.
»Ich wollte ihm glauben«, brummte Richard vor sich hin. »Und er hat mich reingelegt.«
»Worüber sprecht Ihr?« wollte Cara wissen.
Richard seufzte schwer, niedergeschlagen. Er war in mehr als einer Hinsicht unvorsichtig gewesen. »Zedd. Die ganze Geschichte über den Lauer war erfunden.«
Cara schnitt eine Grimasse. »Warum hätte er das tun sollen?«
»Weil er uns aus irgendeinem Grund darüber im Unklaren lassen wollte, daß die in den Grußformeln genannten Chimären auf freiem Fuße sind.«
Er konnte nicht fassen, daß er so töricht gewesen war, Du Chaillu völlig zu vergessen. Kahlan war zurecht verärgert. Bei genauem Hinsehen war seine Erklärung erbärmlich unzureichend. Und er war angeblich Lord Rahl? An den die Menschen glaubten, dem sie folgen sollten?
Kahlan rieb mit den Fingerspitzen über die Falten auf ihrer Stirn. »Gehen wir der Sache auf den Grund,
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