Die Seele des Feuers - 10
hätte es genauso getan, aber ich war näher dran und bin ihm zuvorgekommen.«
Cara drückte kurz die Hand, dann erhob sie sich, um einigen der dankbaren Meister der Klinge Platz zu machen, die sich um ihre Seelenfrau drängten.
»Danke, Cara«, wiederholte Du Chaillu.
Cara verzog das Gesicht. Es war ihr zuwider, daß jemand sie wegen einer aus Mitgefühl ausgeführten Tat lobte. »Wir freuen uns alle, daß deine Seele dich noch nicht verlassen hatte und du bleiben konntest, Du Chaillu. Genau wie Lord Rahls Ungeborenes.«
34. Kapitel
Nicht weit entfernt wurde Du Chaillu von den Meistern der Klinge sowie den meisten Jägern versorgt. Die Seelenfrau der Baka Tau Mana war aus der Welt der Seelen zurückgekehrt, beinahe jedenfalls, doch Richard erkannte, daß sie dabei ihre Körperwärme verloren hatte. Die Decken reichten nicht aus, daher hatte Richard den Männern erlaubt, ein Feuer anzuzünden, das sie zusätzlich wärmen sollte – unter der Bedingung, daß sie alle dicht beieinander blieben, um die Chance, überrascht zu werden, so gering wie möglich zu halten.
Zwei der Schlammenschen entfernten das Gras und hoben eine niedrige Grube aus, während die übrigen Jäger fest verschnürte Grasscheite herstellten, denen man durch Auswringen den größten Teil der Feuchtigkeit entzog. Vier der Grasbündel wurden mit einem harzigen Pech überzogen, das die Jäger bei sich trugen, und anschließend zu einer Pyramide aufgeschichtet. Als diese brannte, wurden die übrigen Grasscheite um das kleine Feuer geschichtet und zum Trocknen mit Erde bedeckt. Wenig später hatten sie trockenes Gras als Brennmaterial, und es brannte ein stattliches Feuer.
Du Chaillu sah aus wie eine wandelnde Tote. Ihr war immer noch sehr übel, aber wenigstens lebte sie. Das Atmen, obschon immer wieder von Hustenanfällen unterbrochen, fiel ihr wieder leichter. Die Meister der Klinge achteten darauf, daß sie heißen Tee trank, während die zu Glucken mutierten Jäger ein wenig Tavabrei für sie zubereiteten. Alles deutete daraufhin, daß sie sich wieder erholen und fürs erste der Welt des Lebendigen erhalten bleiben würde.
Die Vorstellung, ein Mensch könnte nach dem Tod wieder zum Leben erwachen, kam für Richard einem Wunder gleich. Hätte er nur davon gehört, statt es mit eigenen Augen zu sehen, er hätte es wohl kaum für möglich gehalten. Sein Glauben und Denken hatte sich in mehr als einer Hinsicht völlig verändert.
Für Richard bestand kein Zweifel mehr, was sie zu tun hatten. Cara, die Arme verschränkt, sah den Männern zu, die sich um Du Chaillu kümmerten. Auch Kahlan beobachtete sie, ebenso fasziniert wie die anderen – mit Ausnahme von Cara. Daß eine Tote wieder zu atmen begann, schien für sie nichts Außergewöhnliches zu sein. Die Mord-Sith hielten offenbar andere Dinge für normal als allgemein üblich.
Richard nahm Kahlan sachte beim Arm und zog sie zu sich. »Du sagtest vorhin, seit Jahrhunderten habe niemand die Dominie Dirtch passieren können. Ist es denn überhaupt jemals vorgekommen?«
Kahlan wandte ihm ihre Aufmerksamkeit zu. »Das ist unklar und zumindest außerhalb Anderiths eine strittige Frage.«
Seit Du Chaillu Anderith zum erstenmal erwähnt hatte, wurde Richard den Eindruck nicht mehr los, daß es nicht gerade Kahlans Lieblingsort war.
»Wieso das?«
»Das ist eine Geschichte, die einiger Erklärungen bedarf.«
Richard entnahm seinem Bündel drei Stücke Tavabrot und reichte Cara und Kahlan jeweils eines davon. Dann musterte er Kahlans Gesicht.
»Ich höre.«
Kahlan, sichtlich auf der Suche nach einem Anfang, riß ein kleines Stück ihres Tavabrotes ab.
»Das inzwischen unter dem Namen Anderith bekannte Land wurde einst von einem Volk mit Namen Hakenier überfallen. Unter den Anderiern heißt es, die Hakenier hätten die Dominie Dirtch gegen das damals dort lebende Volk eingesetzt, jenes Volk, das jetzt Anderier genannt wird.
Als ich noch jung war und in der Burg der Zauberer studierte, brachte man mir dort etwas anderes bei. Wie auch immer, das Ganze liegt viele Jahrhunderte zurück. Geschichte neigt dazu, von denen verfälscht zu werden, die den Geschichtsunterricht kontrollieren. Ich möchte zum Beispiel behaupten, daß die Imperiale Ordnung ein völlig anderes Bild der Geschehnisse in Renwold an ihre Nachkommen weitergeben wird als wir.«
»Ich würde gerne etwas über die anderische Geschichte erfahren«, sagte er, während sie das Tavastück kaute, das sie abgerissen hatte. »Über die
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