Die Seele des Feuers - 10
Erleichterung schmunzeln. Und plötzlich drohten ihr die Tränen zu kommen, doch sie hielt sie zurück.
»Geht es dir gut, Richard? Was ist passiert? Was hat dich vom Pferd geworfen?«
Richard versuchte sich aufzusetzen, doch sowohl Kahlan als auch Du Chaillu drückten ihn wieder hinunter.
Richard gab seinen Versuch sich aufzurichten auf. Er sah Kahlan aus seinen grauen Augen an. Sie hielt seinen Arm fest umklammert, noch einmal den Gütigen Seelen dankend.
»Was genau passiert ist, weiß ich nicht«, meinte er schließlich. »Es war, als sei dieses Geräusch – wie von einer ohrenbetäubend lauten Glocke – in meinem Kopf explodiert. Die Schmerzen waren, als ob…« Ein Teil der Farbe wich aus seinem Gesicht. »Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gespürt.«
Er setzte sich auf, diesmal die ihn zurückhaltenden Hände beiseite wischend. »Aber jetzt geht es wieder.«
»Da bin ich nicht so sicher«, zweifelte Kahlan.
»Doch, bestimmt«, meinte er. Er sah sich um. »Es war, als hätte etwas an meiner Seele selbst gezogen.«
»Es hat sie nicht bekommen«, erklärte Du Chaillu. »Es hat es versucht, aber es hat sie nicht bekommen.«
Sie meinte es todernst. Kahlan glaubte ihr.
Das Fell nervös zuckend, stand die Stute regungslos da, die Hufe in den grasbewachsenen Boden gestemmt. Ihr Instinkt riet ihr, davonzulaufen. Kleine Wellen der Panik ließen ihre Muskeln erzittern, trotzdem rührte sie sich nicht von der Stelle.
Der Mann war hinter dem herabstürzenden Wasser verschwunden, in dem dunklen Loch.
Sie mochte keine Löcher. Kein Pferd mochte die.
Er hatte geschrien. Der Erdboden hatte gebebt. Das war vor langer Zeit gewesen. Seitdem hatte sie sich nicht von der Stelle gerührt. Jetzt war alles still.
Die Stute wusste jedoch, dass ihr Freund noch lebte.
Sie stieß einen lang gezogenen, tiefen Schrei aus.
Er lebte noch, war aber nicht wieder herausgekommen.
Die Stute war allein.
Für ein Pferd gab es nichts Schlimmeres, als allein zu sein.
49. Kapitel
Ann schlug die Augen auf. Zu ihrer Überraschung erblickte sie in dem schlechten Licht ein Gesicht, das sie seit Monaten nicht gesehen hatte, als sie noch Prälatin gewesen war, im Palast der Propheten in Tanimura, in der Alten Welt.
Die Schwester mittleren Alters betrachtete sie. Mittleren Alters, dachte Ann bei sich, konnte man bei einem Alter von gut fünfhundert Jahren überhaupt von einem mittleren sprechen?
»Schwester Alessandra.«
Es tat weh, die Worte zu formen und laut auszusprechen. Ihre Lippen verheilten schlecht, auch ihr Kiefer ließ sich noch nicht wieder übermäßig gut bewegen. Ann wusste nicht, ob er gebrochen war. Wenn, dann war daran nichts zu ändern. Er würde so verheilen müssen, wie er eben verheilte. Es gab keine Magie, die ihr dies abnahm.
»Prälatin«, begrüßte die Frau sie reserviert.
Früher hatte sie immer einen langen Zopf getragen, erinnerte sich Ann. Einen langen Zopf, den sie stets zu einem Dutt gewunden hinten an ihrem Kopf festgesteckt hatte. Jetzt trug sie ihr ergrauendes braunes Haar kürzer geschnitten und offen. Es reichte ihr nicht ganz bis auf die Schultern. Ann fand, so glich es besser ihre leicht vorspringende Nase aus.
»Ich habe Euch etwas zu essen gebracht, Prälatin, falls Euch danach zumute ist.«
»Warum? Warum hast du mir etwas zu essen gebracht?«
»Seine Exzellenz wünscht, dass Ihr zu essen bekommt.«
»Und warum du?«
Die Frau konnte ihr Schmunzeln nicht ganz unterdrücken. »Ihr könnt mich nicht leiden, Prälatin.«
Ann tat ihr Möglichstes, wütend dreinzublicken, war sich aber nicht ganz sicher, ob es ihr mit ihrem geschwollenen Gesicht gelang.
»Um ganz offen zu sein, Schwester Alessandra, ich liebe dich ebenso wie alle anderen Kinder des Schöpfers. Ich verabscheue lediglich, was du getan hast – dass du deine Seele dem Unaussprechlichen versprochen hast.«
»Dem Hüter der Unterwelt.« Schwester Alessandras Lächeln wurde ein wenig breiter. »Ihr könnt Euch also um eine Frau, die eine Schwester der Finsternis wurde, noch immer Sorgen machen?«
Ann wandte das Gesicht ab, obwohl die dampfende Schale ganz zweifellos herzhaft duftete. Sie wollte nicht mit der gefallenen Schwester sprechen.
In ihren Ketten konnte Ann nicht ohne Hilfe essen. Sie hatte sich bedingungslos geweigert, Speisen von Schwestern entgegenzunehmen, die sie angelogen und verraten hatten, statt ihre Freiheit anzunehmen. Bis zu diesem Augenblick hatten Soldaten
Weitere Kostenlose Bücher