Die Seele des Feuers - 10
nur anzuordnen, und Euer Wort gilt.«
Der Mann breitete die Hände aus. »Mutter Konfessor, Lord Rahl, Ihr bittet uns, unsere Souveränität aufzugeben. Einen solchen Schritt kann ich nicht einfach kaltschnäuzig allein anordnen.«
»Aus diesem Grund wird es ja auch ›Kapitulation‹ genannt«, knurrte Richard.
»Aber Ihr verlangt, dass unser Volk seine Identität aufgibt und eins wird mit Euch und Eurem Volk. Ich glaube, Euch ist die Bedeutung dessen nicht ganz klar. Ihr verlangt von uns nicht nur die Aufgabe unserer Souveränität, sondern unserer gesamten Kultur.
Versteht Ihr nicht? Wir wären nicht mehr die, die wir sind. Unsere Kultur reicht Jahrtausende zurück. Und jetzt kommt Ihr, ein einzelner Mann, und verlangt, dass unser Volk seine gesamte Geschichte wegwirft? Wie kommt Ihr auf die Idee, es sei so einfach, unser Erbe, unsere Vorfahren, unsere Kultur zu vergessen?«
Richard trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Er starrte zu den Menschen hinüber, die sich das Abendessen schmecken ließen, die keine Ahnung hatten, welch wichtige Dinge an der Ehrentafel besprochen wurden.
»Eure Darstellung ist nicht ganz korrekt, Minister Chanboor. Es ist keinesfalls unser Wunsch, Eure Kultur zu zerstören« – Richard beugte sich zu dem Mann hinüber –, »obwohl es, soweit ich gehört habe, einige ungerechte Aspekte gibt, die wir keinesfalls dulden werden. Unser Gesetz wird alle gleich behandeln.
Solange Ihr die allgemein gültigen Gesetze achtet, dürft Ihr Eure Kultur behalten.«
»Gewiss, aber…«
»Zuallererst ist dies eine Frage der Notwendigkeit für die Freiheit Hunderttausender von Menschen in der Neuen Welt. Eine Gefährdung so vieler Menschen werden wir nicht hinnehmen. Schließt Ihr Euch uns nicht an, werden wir Euch erobern. Wenn es dazu kommt, werdet Ihr Euer Mitspracherecht bei den von uns erlassenen Gesetzen verlieren, darüber hinaus werdet Ihr Strafen entrichten, die Euer Land für eine Generation lähmen werden.«
Das Ungestüm in Richards Augen ließ den Minister einige Zoll zurückweichen. »Noch schlimmer wäre es, wenn die Imperiale Ordnung zuerst über Euch herfiele. Sie würden Euch keine Geldstrafen auferlegen, sie würden Euch vernichten. Sie würden Euch töten oder zu Sklaven machen.«
»Die Imperiale Ordnung hat die Kapitulation Ebinissias verlangt«, meinte Kahlan kalt. »Ich war dort. Ich habe gesehen, was die Imperiale Ordnung mit diesen Menschen gemacht hat, als diese sich weigerten zu kapitulieren und sich versklaven zu lassen. Die Soldaten der Imperialen Ordnung haben jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in der Stadt gefoltert und erschlagen. Jeden Einzelnen von ihnen. Niemand wurde am Leben gelassen.«
»Nun ja, alle Soldaten, die…«
»Über fünfzigtausend Soldaten der Imperialen Ordnung nahmen am Gemetzel an der unschuldigen Bevölkerung Ebinissias teil«, erklärte Kahlan mit einer Stimme von eindringlicher Kälte. »Ich führte die Truppen an, die sie niederhetzten. Wir töteten die Soldaten, die an dem Gemetzel in Ebinissia beteiligt waren – bis auf den letzten Mann.«
Kahlan beugte sich zum Minister. »Viele von ihnen haben weinend um Gnade gefleht. In meiner Funktion als Mutter Konfessor habe ich verkündet, es werde keine Gnade für die Imperiale Ordnung geben. Das schließt auch jene ein, die sich auf ihre Seite schlagen. Wir haben dieses Heer bis zum letzten Mann aufgerieben, Minister Chanboor. Bis zum allerletzten Mann.«
Die beängstigende Kälte ihrer Worte ließ jeden im Saal erschrocken verstummen. Dalton Campbells Gattin Teresa sah aus, als wollte sie von der Tafel aufspringen und die Flucht ergreifen.
»Eure einzige Rettung«, meinte Richard schließlich, »ist es, Euch uns anzuschließen. Gemeinsam bilden wir eine ungeheure Streitmacht, die imstande sein wird, die Imperiale Ordnung zurückzuschlagen und Frieden und Freiheit in der Neuen Welt zu wahren.«
Schließlich ergriff Minister Chanboor das Wort. »Wie gesagt, läge die Entscheidung bei mir, ich würde diesem Anschluss zustimmen, genau wie meine Gemahlin, genau wie Dalton. Das Problem ist, Kaiser Jagang hat einigen Leuten hier großzügige Angebote unterbreitet, Friedensangebote, die…«
Kahlan sprang auf. »Was! Ihr habt mit diesen Mördern verhandelt!«
Einige der Anwesenden im Saal unterbrachen ihre Unterhaltung, um kurz zur Ehrentafel hochzuschauen. Richard war aufgefallen, dass einige den Minister und seine Gäste keinen Moment aus den Augen gelassen hatten.
Zum ersten Mal
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