Die Seele des Feuers - 10
wirkte der Minister unerschrocken. »Wenn das eigene Land von zwei gegnerischen Kräften, von denen keine dazu provoziert wurde, unsere Kapitulation zu fordern, mit Zerstörung bedroht wird, haben wir als Führer und Berater die Pflicht, uns beide Seiten anzuhören. Wir wollen keinen Krieg, der Krieg wird uns aufgezwungen. Wir sind verpflichtet, uns anzuhören, wie unsere Alternativen aussehen. Daraus könnt Ihr keinen Vorwurf konstruieren.«
»Freiheit oder Sklaverei«, sagte Richard, an der Seite seiner Gemahlin stehend.
Auch der Minister erhob sich. »Sich anzuhören, was jemand zu sagen hat, gilt hier in Anderith nicht als Verbrechen. Wir greifen niemanden an, solange er uns nicht bedroht. Die Imperiale Ordnung hat uns dringend aufgefordert, nicht auf das zu hören, was Ihr zu sagen habt, und dennoch seid Ihr hier. Wir lassen jeden zu Wort kommen.«
Richards Hand umfasste das Heft seines Schwertes fester. Er erwartete, die erhabenen, aus Golddraht gefertigten Buchstaben zu spüren, jene Buchstaben, die das Wort ›Wahrheit‹ bildeten. Einen Augenblick war er überrascht, als er feststellen musste, dass sie nicht da waren.
»Und welche Lügen hat die Imperiale Ordnung Euch aufgetischt, Minister?«
Minister Chanboor zog die Schultern hoch. »Wie gesagt, Euer Angebot sagt uns besser zu.«
Er machte eine auffordernde Geste mit der Hand. Richard und Kahlan kehrten widerstrebend auf ihre Plätze zurück.
»Eins muss ich Euch gleich vorweg sagen, Minister«, erklärte Richard, »was immer Ihr verlangt, von uns werdet Ihr es nicht bekommen. Ihr braucht Euch gar nicht erst die Mühe zu machen, Eure Bedingungen aufzulisten. Wie wir Euren Abgesandten in Aydindril bereits erklärt haben, haben wir allen Ländern dasselbe Angebot unterbreitet. Aus Gründen der Gerechtigkeit kann es weder Ausnahmen noch Zugeständnisse an einige geben.«
»Die verlangen wir auch nicht«, erwiderte Minister Chanboor.
Als Kahlan ihm die Hand auf den Rücken legte, nahm Richard dies als Zeichen, tief durchzuatmen und sein Temperament zu zügeln. Dabei rief er sich ihr gemeinsames Ziel in Erinnerung. Kahlan hatte Recht: Er musste überlegen und durfte nicht einfach reagieren.
»Also gut, Minister, worin liegt das Problem, das Euch hindert, unsere Kapitulationsbedingungen anzunehmen?«
»Nun, wie gesagt, läge es bei mir und hätte ich…«
»Worin liegt das Problem?« Tiefer Atemzug oder nicht, Richards Ton blieb unversöhnlich.
Er fasste bereits seine weniger als eine halbe Meile entfernt stehenden Truppen ins Auge. Die Wachen auf dem Anwesen hätten den d’Haranischen Elitesoldaten wenig entgegenzusetzen. Er griff nur ungern auf diese Möglichkeit zurück, aber vielleicht würde er dazu gezwungen sein. Sie durften nicht zulassen, dass der Minister – absichtlich oder nicht – verhinderte, dass Jagang Einhalt geboten wurde.
Der Minister räusperte sich. Alle anderen am Tisch erstarrten, fast als hätten sie Angst sich zu bewegen, als könnten sie Richards Gedanken an seinen Augen ablesen.
»Dies betrifft jeden Einwohner unseres Landes. Ihr verlangt, wir sollen unsere Kultur aufgeben, wie die Imperiale Ordnung auch – nur wäre die Veränderung bei Euch nicht ganz so umfassend, und wir könnten einige unserer Sitten und Gebräuche beibehalten.
Das kann ich unserem Volk nicht zumuten. Es wird selbst entscheiden müssen, was es zu tun wünscht.«
Richard hob eine Hand. Er ließ sie auf den Tisch zurückfallen. »Aber wie kann es das?«
Der Minister benetzte sich die Lippen. »Jeder Einzelne wird mit seiner Stimme über das Schicksal aller entscheiden.«
»Mit seiner was?«, fragte Kahlan.
»Mit seiner Stimme. Jeder Einzelne muss Gelegenheit erhalten, sich zu diesem Punkt zu äußern.«
»Kommt nicht in Frage«, meinte Kahlan entschieden.
Alle anderen am Tisch wirkten schockiert. Lady Chanboors Augen schienen ihr aus dem Kopf treten zu wollen, als sie den Vorschlag ihres Gatten vernahm. Dalton Campbell saß steif da, mit leicht geöffnetem Mund. Teresa hatte schockiert die Brauen hochgezogen. Offensichtlich war ihnen Minister Chanboors Plan nicht nur unbekannt, sondern sie schienen ihn nicht einmal für klug zu halten; nichtsdestoweniger hielten sie sich auch weiterhin zurück.
»Kommt nicht in Frage«, wiederholte Kahlan.
»Wie könnt Ihr erwarten, dass unser Volk Euch die Ernsthaftigkeit Eurer Freiheitsabsichten abnimmt, wenn Ihr nicht bereit seid, es selbst über sein Schicksal entscheiden zu lassen? Wenn Euer Angebot
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