Die Seele des Feuers - 10
wirklich für die Freiheit steht, wieso fürchtet Ihr dann die Freiheit der Menschen, darüber zu befinden? Wenn Euer Angebot tatsächlich so gerecht und gut ist – und die Imperiale Ordnung so brutal und ungerecht –, warum erlaubt Ihr dann unserem Volk nicht, frei darüber abzustimmen, ob es sich Euch anschließen will? Was ist daran so Schändliches, dass Ihr ihm nicht erlaubt, sein Los zu erkennen und sich aus freien Stücken dafür zu entscheiden?«
Richard sah sich nach Kahlan um. »Er hat nicht ganz Unrecht…«
»Kommt nicht in Frage«, fauchte Kahlan.
Noch immer hatte sich niemand gerührt, so ernsthaft waren sie mit der Zukunft ihres Landes beschäftigt, die in der Schwebe hing.
Richard ergriff Kahlans Arm und wandte sich kurz zu dem Minister um. »Wenn Ihr uns einen Augenblick entschuldigen würdet, es gibt da ein paar Dinge, die wir besprechen müssen.«
Richard zog Kahlan fort vom Tisch, nach hinten in die Nähe der Vorhänge hinter dem Serviertisch. Mit einem Blick aus dem Fenster vergewisserte er sich, dass niemand in der Nähe war, und lauschte. Die Leute an der Ehrentafel sahen nicht etwa hin, sondern lehnten sich schweigend zurück und blickten in den Speisesaal voll essender, sich unterhaltender und lachender Menschen, die von dem Drama, das sich an der Ehrentafel abspielte, gar nichts mitbekommen hatten.
»Kahlan, ich wüsste nicht, wieso…«
»Nein. Nein, Richard, nein. Was gibt es an einem ›Nein‹ nicht zu verstehen?«
»Ich würde gern deine Begründung hören.«
Sie seufzte schwer, unnachgiebig. »Versteh doch, Richard, ich halte es einfach nicht für eine gute Idee. Nein, das ist nicht ganz richtig. Ich halte es für eine entsetzliche Idee.«
»Also gut. Du weißt, Kahlan, in diesen Dingen bin ich auf deine Meinung angewiesen…«
»Dann nimm sie dir zu Herzen. Nein.«
Richard fuhr sich verzweifelt mit den Fingern durchs Haar. Er sah sich erneut um. Niemand achtete auf sie.
»Was ich sagen wollte, ist Folgendes: Ich würde gern deine Gründe kennen lernen. Der Mann hat nicht ganz Unrecht. Wenn wir dem Volk die Möglichkeit eröffnen, sich unserem Kampf für die Freiheit aller anzuschließen, warum sollten wir ihm dann die Möglichkeit vorenthalten, sich freiwillig für unsere Seite zu entscheiden? Man sollte keinem Volk die Freiheit aufzwingen, wenn es nicht will.«
Kahlan drückte seinen Arm. »Ich kann dir einen Grund nennen, Richard. Ja, es klingt vernünftig. Ja, ich begreife auch den Sinn, der dahinter steckt. Ja, es wäre nur gerecht.«
Ihr Griff an seinem Arm wurde fester. »Aber die Gefühle in meinem Innern schreien ›nein‹. Ich muss mich in dieser Sache auf meinen Instinkt verlassen, Richard, genau wie du. Und der ist stark und unbeugsam. Tu es nicht, ich flehe dich an.«
Richard fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Er versuchte einen Grund zu finden, weshalb sie sich dem widersetzen sollten. Stattdessen fielen ihm nur immer mehr Gründe ein, weshalb eine Abstimmung Sinn ergäbe – und das nicht nur aus der einfachen Notwendigkeit heraus, dass die Anderier gegen die Imperiale Ordnung Partei ergriffen.
»Ich vertraue dir, Kahlan, wirklich. Du bist die Mutter Konfessor und hast ein ganzes Leben lang Erfahrungen und Wissen darüber gesammelt, wie man Menschen regiert. Ich bin nichts weiter als ein Waldführer. Trotzdem würde ich gern eine etwas bessere Begründung hören als ›mein Bauch sagt nein‹.«
»Eine bessere kann ich dir nicht nennen. Ich kenne diese Menschen und weiß, wie arrogant und unaufrichtig sie sind. Ich glaube nicht, dass Bertrand Chanboor sich auch nur im Geringsten um den Willen des Volkes schert. Nach allem, was ich über sie weiß, sind er und seine Gattin ausschließlich an sich selber interessiert. Irgendetwas ist einfach faul an dieser Geschichte.«
Richard strich ihr mit dem Finger über die Schläfe. »Ich liebe dich, Kahlan. Ich vertraue dir. Aber hier geht es um das Leben dieser Menschen. Und darüber wird nicht Bertrand Chanboor entscheiden – allein darum geht es. Wenn das, was wir anzubieten haben, richtig ist, warum sollte dann das anderische Volk nicht die Möglichkeit erhalten, sich selbst dafür zu entscheiden? Meinst du nicht, sie hätten dann mehr in die Sache investiert, als wenn ihre Anführer ihnen die Entscheidung abgenommen hätten?
Hältst du es für fair, wenn wir eine Veränderung ihrer Kultur verlangen, wenn wir ihnen weiszumachen versuchen, das sei genau das Richtige, und ihnen trotzdem die Freiheit
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