Die Seele des Feuers - 10
mir davon erzählt.« Kahlan sah sich nach dem Vogelmann um, der versunken die am Boden pickenden Hühner betrachtete.
»Richard ist der lang Erwartete: ein Kriegszauberer. In den Prophezeiungen ist nicht davon die Rede, ob er Erfolg haben wird, aber er ist der, der für den Kampf geboren wurde – sozusagen für den Kampf um die Unversehrtheit der Huldigung. Ein solcher Glaube erfordert manchmal allerdings eine große spirituelle Anstrengung.«
»Warum? Wenn er derjenige ist, auf den du gewartet hast – den du gewollt hast?«
Ann räusperte sich und schien ihre Gedanken zu ordnen. Kahlan glaubte, Tränen in den Augen der Frau zu erkennen.
»Er hat den Palast der Propheten zerstört. Richard ist es zu verdanken, daß Nathan entkommen konnte. Nathan ist gefährlich, schließlich hat er dir die Namen der Chimären verraten. Diese gefährlich übereilte Tat hätte uns alle ins Verderben stürzen können.«
»Sie hat Richard das Leben gerettet«, gab Kahlan zu bedenken. »Hätte Nathan mir nicht die Namen der drei Chimären verraten, wäre Richard tot. Dann läge dein Kiesel auf dem Grund des Teiches – wo er unerreichbar und für niemanden eine Hilfe wäre.«
»Wohl wahr«, gab Ann zu – widerstrebend, wie Kahlan fand.
Kahlan nestelte an einem Knopf, während ihr Anns Standpunkt allmählich immer deutlicher wurde. »Das muß schwer zu ertragen gewesen sein, mit ansehen zu müssen, wie Richard den Palast zerstörte. Dein Zuhause.«
»Zusammen mit dem Palast zerstörte er auch dessen Bann. Von jetzt an werden die Schwestern des Lichts altern wie alle anderen Menschen auch. Im Palast hätte ich vielleicht noch weitere hundert Jahre zu leben gehabt, die Schwestern hätten dort noch viele Jahrhunderte weiterleben können. Jetzt bin ich nichts weiter als eine alte Frau, die ihrem Ende entgegensieht. Richard hat mir diese Jahrhunderte geraubt und allen anderen Schwestern auch.«
Kahlan wußte nicht, was sie sagen sollte.
»Möglicherweise hängt die Zukunft eines jeden von ihm ab«, meinte Ann schließlich. »Das müssen wir uns stets vor Augen halten. Deswegen habe ich ihm bei der Zerstörung des Palastes geholfen, deswegen diene ich dem Mann, der scheinbar mein Lebenswerk zerstört hat: denn mein eigentliches Lebenswerk ist der Kampf dieses Mannes und nicht meine eigenen begrenzten Interessen.«
Kahlan hakte eine feuchte Haarsträhne hinter ihr Ohr. »Du redest von Richard, als sei er ein Werkzeug, das für euren Gebrauch geschmiedet wurde. Er ist ein Mann, der tun möchte, was Rechtens ist, trotzdem hat er auch seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Sein Leben gehört ihm allein, und weder dir noch irgendeinem anderen steht es zu, aufgrund von Dingen, die ihr in staubigen alten Büchern gefunden habt, Pläne für ihn zu schmieden.«
»Du verstehst mich falsch. Das genau macht ihn so wertvoll: seine Instinkte, seine Neugier, sein Mut.« Ann tippte sich gegen die Schläfe. »Sein Verstand. Unser Ziel ist es nicht, zu lenken, sondern zu folgen, selbst wenn es schmerzlich ist – auf dem Pfad zu wandeln, auf dem er uns führt.«
Kahlan wußte, wie sehr das stimmte. Richard hatte den Bund zerstört, der die Länder der Midlands über Tausende von Jahren vereint hatte. Unter ihrer Aufsicht als Mutter Konfessor waren die Midlands an Richard in seiner Funktion als Lord Rahl von D’Hara gefallen, zumindest jene Länder, die sich ihm bis jetzt ergeben hatten. Sie wußte um die Güte seines Handelns und um dessen Notwendigkeit, trotzdem war es gewiß nicht leicht gewesen, ihm auf diesem Pfad zu folgen.
Andererseits war Richards kühne Tat die einzig echte Möglichkeit gewesen, sämtliche Länder zu einer Macht zu vereinen, die darauf hoffen konnte, gegen die Tyrannei der Imperialen Ordnung bestehen zu können. Jetzt beschritten sie diesen neuen Pfad gemeinsam, Hand in Hand, vereint in Ziel und Entschlossenheit.
Kahlan verschränkte abermals die Arme und ließ sich, die albernen Hühner beobachtend, nach hinten gegen die Wand sinken. »Falls du die Absicht hattest, mir wegen meiner eigensüchtigen Wünsche bezüglich meines ersten Tages mit meinem Gatten Schuldgefühle einzureden, so ist dir das gelungen. Aber ich kann nichts dagegen tun.«
Ann ergriff sachte Kahlans Arm. »Nein, Kind, das war keineswegs meine Absicht. Ich verstehe, daß Richards Taten einen manchmal zornig machen können. Ich möchte dich nur bitten, hab Geduld und laß ihn tun, was er glaubt, tun zu müssen. Er ignoriert dich nicht aus
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