Die Seele des Feuers - 10
Eigensinn, sondern weil er tut, was seine Natur von ihm verlangt.
Nichtsdestoweniger ist seine Liebe für dich stark genug, ihn von dem, was er tun muß, abzulenken. Du darfst dich nicht einmischen, indem du ihn bittest, seine Pflichten zu vernachlässigen, wenn er dies von selbst nicht tun würde.«
»Ich weiß«, seufzte Kahlan. »Aber Hühner…«
»Irgend etwas ist mit der Magie nicht mehr in Ordnung.«
Kahlan sah die alte Hexenmeisterin stirnrunzelnd an. »Was meinst du damit?«
Ann zuckte mit den Achseln. »Ich bin mir nicht sicher. Zedd und ich glauben, eine Veränderung in unserer Magie bemerkt zu haben. Sie ist noch zu fein, um sie tatsächlich mit den Sinnen erfassen zu können. Ist dir eine Veränderung in deinen Fähigkeiten aufgefallen?«
In einem kurzen Ausbruch kalter Panik richtete Kahlan ihre Gedanken nach innen. Eine kaum merkliche Veränderung in der Magie eines Konfessors war schwer vorstellbar – sie existierte einfach. Das Kernstück ihrer Kraft im Innern sowie ihre Fähigkeit, diese einzudämmen, erschienen ihr angenehm vertraut. Allerdings ….
Kahlan scheute zurück vor diesem Schleier aus düsteren Mutmaßungen.
Magie war ohnehin schon schwer genug greifbar. Durch eine hinterhältige List hatte ein Zauberer sie einst dazu gebracht zu glauben, ihre Kraft sei verloren, obwohl sie ihr in Wirklichkeit nie abhanden gekommen war. Der Glaube daran hatte Kahlan fast das Leben gekostet; sie hatte nur deshalb überlebt, weil sie rechtzeitig erkannt hatte, daß sie ihre Kraft immer noch besaß und sie sich mit ihrer Hilfe retten konnte.
»Nein, sie ist wie immer«, antwortete Kahlan. »Ich habe am eigenen Leib erfahren müssen, wie leicht man sich selbst einreden kann, die eigene Magie lasse nach. Wahrscheinlich ist es überhaupt nichts – du bist nur besorgt, das ist alles.«
»Das mag wohl sein, nur ist Zedd der Überzeugung, man sollte Richard freie Hand lassen. Daß Richard ganz von selbst, ohne unsere Kenntnis der Magie, zu dem Glauben gelangt ist, es gebe irgendwelche ernsthaften Scherereien, bekräftigt unsere Vermutung nur. Wenn es stimmt, dann ist er bereits weiter als wir. Uns bleibt nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.«
Ann legte abermals ihre knorrige Hand auf Kahlans Arm. »Ich möchte dich bitten, behellige ihn nicht ständig mit deinem verständlichen Bedürfnis, er solle dir den Hof machen. Laß ihn tun, was er tun muß.«
Den Hof machen, von wegen. Kahlan wollte einfach seine Hand halten, ihn umarmen, ihn küssen, ihn anlächeln und von ihm angelächelt werden.
Sie mußten am nächsten Tag unbedingt nach Aydindril zurückkehren. Schon bald würde das quälende Rätsel um Junis Tod zugunsten wichtigerer Dinge in Vergessenheit geraten. Sie mußten sich um Kaiser Jagang und den Krieg Gedanken machen.
Nichts wünschte sie sich sehnlicher, als daß Richard und sie einen Tag ganz für sich haben könnten.
»Verstehe.« Kahlan starrte auf die gluckende, aufgebrachte Schar dummer Hühner. »Ich werde versuchen, mich nicht einzumischen.«
Ann kommentierte den Umstand, daß sie sich durchgesetzt hatte, mit einem freudlosen Nicken.
Cara lief draußen im Dämmerlicht der heraufziehenden Nacht ruhelos auf und ab; aus ihrer gereizten Miene schloß Kahlan, daß Richard der Mord-Sith befohlen hatte, zurückzubleiben und seine neue Gemahlin zu bewachen. Das war jener eine Befehl, den Cara unmöglich mißachten konnte, jener Befehl, den nicht einmal Kahlan für diese Frau außer Kraft setzen konnte.
»Kommt mit«, sagte Kahlan, als sie an Cara vorbeistapfte. »Sehen wir nach, wie weit Richard mit seiner Sucherei vorangekommen ist.«
Zu ihrem Mißfallen stellte Kahlan fest, daß es noch immer regnete. Auch wenn der Regen nicht mehr so stark fiel wie zuvor, war er doch noch genauso kalt, und es würde nicht mehr lange dauern, bis sie wieder genauso durchnäßt sein würde.
»Dort ist er nicht langgegangen«, rief Cara.
Kahlan und Ann drehten sich gleichzeitig um und sahen Cara noch an genau derselben Stelle stehen, wo sie auf und ab gegangen war.
Kahlan deutete mit dem Daumen über die Schulter auf das andere den bösen Seelen vorbehaltene Haus. »Ich dachte, er wollte nach den übrigen Hühnern sehen.«
»Er war bereits auf dem Weg zu den beiden anderen Gebäuden, hat es sich dann aber anders überlegt.« Cara zeigte in eine Richtung. »Er ist in diese Richtung gegangen.«
»Warum das?«
»Das hat er nicht gesagt. Er trug mir auf, hierzubleiben und auf Euch zu warten.«
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