Die Seele des Ozeans (German Edition)
ihn zu filmen. Der Stoff seiner Hose war fast so weiß wie seine Haut. Das silberne Haar umgab wie feines Seegras sein Gesicht, seine Arme bewegten sich langsam auf und ab. Sonst rührte er sich nicht. Ein unwirklicher Frieden ging von ihm aus, der selbst auf die Tiere überging. Sie spielten nicht, wie sie es bei ihr getan hatten, sprangen nicht aus dem Wasser und versuchten nicht, ihn zu berühren. Stattdessen umkreisten sie ihn in langsamer Monotonie, als zelebrierten sie eine Art Tanz, mit dem sie ihm Respekt zollten.
Zitternd und zähneklappernd starrte sie auf das seltsame Schauspiel und fühlte, wie Traurigkeit in ihr aufstieg. Sie wusste nicht, woher dieses Gefühl kam oder weshalb sie es fühlte. Tränen brannten in ihren Augen. Der Frieden, der von Kjell und den sich träumerisch bewegenden Delfinen ausging, war zu rein für diese Welt.
Er gehört nicht hierher, sagte eine Stimme in ihr. Das ist nicht seine Welt. Er gehört nicht hierher.
In diesem Augenblick erwachte Kjell aus seiner Trance.
Er lächelte ihnen zu, streifte die Kamera mit einem flüchtigen Blick und schwamm auf die Leiter zu. Mühelos kletterte er an Deck, ohne irgendein Zeichen von Unterkühlung zu zeigen. Es war, als bestünde er aus Eis.
„Sind alle an Bord?“ Ukulele streichelte die Kamera wie einen kostbaren Schatz. „Dann lasst uns nach unten gehen.“
Damit verschwand er gemeinsam mit Henry im Bauch des Schiffes, dicht gefolgt von Alexander, der sich in der Tür noch einmal umdrehte und ihnen zunickte.
„Wir machen uns auf den Rückweg, okay? Für heute haben wir mehr als genug eingesammelt. Fae, die Wärmflasche liegt auf deinem Bett. Sorge erstmal dafür, dass du auftaust.“
„Nur keine Sorge.“ Sie schmiegte sich an Kjell und zeigte ihrem Bruder, was sie fühlte. „Wir machen es uns schon gemütlich.“
„Daran habe ich keinen Zweifel. Also dann, ich muss ein Schiff in seinen Hafen zurückbringen.“
Als Alexander verschwunden war, schälte sich Kjell ungeniert aus seiner nassen Hose und schlüpfte in die Kleidung, die einer der Männer neben der Werkzeugkiste bereitgelegt hatte.
„Was ist das?“ Nur unter Mühen schaffte er es, sich die steife Jeans anzuziehen. „Die Hose davor gefiel mir besser.“
„Wir haben keine andere dabei.“
Kjell schlüpfte in das blaue T-Shirt, öffnete seine Arme und raunte: „Komm her.“
Nichts lieber als das!
Sie schmiegte sich an ihn, legte das Ohr an seine Brust und lauschte seinem Herzschlag. Wie langsam es schlug. Bedeutete das, dass er eine längere Lebensspanne als Menschen besaß?
Sie wollte ihn danach fragen, doch dann erinnerte sie sich, dass sie die Antwort im Grunde bereits kannte. Kjell wusste kaum mehr über sich selbst, als sie es tat.
„Erzähle mir noch mehr von der anderen Welt.“ Sie setzten sich auf die Kiste und hielten ihre Gesichter in den Wind. Das Glück, das sie fühlte, strömte wie eine Droge durch ihren Körper. Nirgendwo hatte sie sich je so wohl gefühlt wie in Kjells Umarmung.
„Was willst du wissen?“, fragte er.
„Alles.“
„Nun, verglichen mit der anderen Welt erscheint einem der Lauf der irdischen Dinge grausam und gnadenlos. Dort, wo ich in meinen Träumen war, gibt es kein Fressen und Gefressenwerden. Diese Welt funktioniert anders. Friedlicher. Geordneter. Ich habe einmal von einem See auf einer Südseeinsel gelesen. Er ist voller Quallen, und in den Quallen leben winzige Algen. Diese Algen ernähren sich vom Licht, und was sie bei der Photosynthese produzieren, dient wiederum als Nahrung für die Quallen.“
„Du bist ziemlich belesen, muss ich sagen.“
„Ich hatte jahrelang nichts anderes zu tun. In diesem See gibt es jedenfalls nur diese Quallen. Sonst nichts. Keine Raubtiere, keine Gefahr. Stell es dir so ähnlich vor. Aber die andere Welt ist noch viel mehr als das. Um es wirklich zu begreifen, müsstest du selbst dort sein.“
„Und das ist unmöglich.“ Fae breitete ihre Decken aus und drapierte sie so, dass sie sich beide darunter kauern konnten. Je dunkler und drohender die Wolken wurden, umso intensiver leuchtete das Blau des Meeres. Alles hatte sich verändert. Jetzt, da Kjell bei ihr war, war die Welt zu einem großen Geheimnis geworden. Ein unergründliches Mysterium, das ihr für die Dauer eines Wimpernschlags plötzlich Angst machte.
Kjell küsste ihre Stirn, streichelte ihr Haar und gab leise, schnurrende Geräusche von sich, die sie wahnsinnig machten vor Sehnsucht.
„Ich …“, begann sie
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