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Die Seele des Ozeans (German Edition)

Die Seele des Ozeans (German Edition)

Titel: Die Seele des Ozeans (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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erkennen.
    Sie war allein mit Kjell, mit dem Meer und der Nacht.
    „Du frierst“, raunte er an ihrem Ohr.
    Fae zitterte und lächelte. Kein Wort wollte ihr über die Zunge kommen. Sie presste sich an ihn, schlang Arme und Beine noch fester um seinen schützenden, wärmenden Körper.
    „Es ist wunderschön, nicht wahr?“ Er nickte zu der leuchtenden Wolke hinüber, die sie umkreiste, ohne näher zu kommen. „Manchmal träume ich nachts von der anderen Welt. Vielleicht sind es aber auch keine Träume, sondern Erinnerungen.“
    „Erz-z-z-z-zähle mir d-d-d-d-davon.“ Ihre Zähne schlugen vor Kälte aufeinander. Aber sie wollte nirgendwo anders sein. Ihre Wange berührte seine Stirn, die Spitze ihrer Nase strich über das nasse, silberne Haar. „W-w-w-w-wie ist es d-d-d-dort?“
    „Sie ist schwer zu beschreiben. Ich erinnere mich an einen Himmel, der in allen Blau- und Violetttönen schimmerte. Vier Monde standen am Himmel, einer so blass wie der Mond dieser Welt, die drei anderen blau. Der schönste von allen war so groß, dass er fast den halben Himmel einnahm.“ Ganz langsam glitten sie weiter hinaus, immer weiter und weiter, bis der Strand in der Nacht verschwunden war und es nur noch den wogenden Ozean gab. Die Wärme seines Körpers nahm zu, vertrieb die Kälte und hüllte sie in einen schützenden Kokon. Jede Taubheit war verschwunden. Ihre Nerven glühten, Empfindungen überwältigten sie wie eine Flutwelle. Sie wollte, dass es niemals aufhörte. Der Geruch des Meeres, der Geruch seiner Haare. Kjells Wärme, seine Stimme, das Auf und Ab der Dünung. Die weiche Zartheit seiner Haut und das Gefühl glatter Schuppen, die mit jeder Bewegung seines Fischkörpers die nackte Haut ihrer Beine streiften.
    Fühlen! Leben!
    „Es waren keine Sterne zu sehen“, fuhr er in seiner Erzählung fort. „Aber es gab farbige Nebel, die sich zusammen mit den Monden im Wasser spiegelten. Ich weiß noch, dass ich in Menschengestalt auf einer Sandbank saß und draußen auf dem Meer seltsame Wesen vorbeizogen.“
    „Was für Wesen?“
    „Sie müssen unglaublich groß gewesen sein. Viel größer als jeder Wal. Einmal habe ich einen alten Blauwal gesehen. Er war riesig, aber im Vergleich zu diesen Geschöpfen winzig wie eine Garnele. Auf ihren Rücken wuchsen blausilbern leuchtende Knochengebilde, so hoch wie die höchsten Klippen der Insel und verzweigt wie ein Baum. Mehrere dieser Wesen schwammen nebeneinander und hintereinander, sodass es aussah, als wüchse ein gigantischer, leuchtender Wald auf dem Meer.“
    Fae seufzte. Die sanften Bewegungen und die Wärme machten sie müde. Ganz von allein sank ihr Kopf auf Kjells Schulter nieder. Ihr Körper wurde zu einer schwebenden Feder, aller Ballast sank in die Tiefe unter ihr und wurde bedeutungslos.
    „Das klingt wunderschön.“
    „Es war wunderschön. Aber das Herrlichste war nicht einmal der Himmel, die Monde oder diese Wesen. Es war das Gefühl, das ich in dieser Welt hatte. Das Gefühl, zuhause zu sein. Das Gefühl, alles beendet zu haben und ausruhen zu können. Ich war am Ziel meines Weges. Es gab nichts mehr zu tun, weil ich wieder dort war, wo alles begonnen hatte.“
    „Es gab nichts mehr zu tun?“, murmelte sie schläfrig. „Das klingt nicht gerade erstrebenswert.“
    „Nein.“ Sie spürte, wie er den Kopf schüttelte. „Es hat nichts mit dem zu tun, was man in dieser Welt unter Langeweile versteht. Wie soll ich es dir erklären? Ich weiß es nicht.“
    „Ich kann mir vorstellen, was du meinst.“ Das war kaum die Wahrheit. Viel eher hatte sie eine blasse Ahnung. Eine undeutliche Vermutung, die ihr entglitt, kaum dass sie sie zu fassen bekam. Sie wollte nur eines: in seinen Armen einschlafen.
    „Ich habe mich jahrelang zu Tode gelangweilt.“ Seine Hand glitt hoch und umfasste ihren Hinterkopf. Fae seufzte genüsslich, als er begann, mit seinen Fingern durch ihr Haar zu kämmen. „Ich dachte, ich werde verrückt vor Einsamkeit. Die paar Bücher, die mir mein Vater gab, kannte ich bald in- und auswendig. Ich verzehrte mich nach etwas Neuem. Nach neuen Erfahrungen, nach Gefühlen. Ich hätte alles genommen, egal was, solange es nur etwas anderes war als Holzwände, versperrte Fenster und der Teppich vor meinem Bett. Ich fühlte mich leer und tot, aber das Gefühl, das ich in dieser anderen Welt hatte, könnte sich nicht mehr von dieser Leere unterscheiden. Stell dir vor, du kämpfst bis zur Erschöpfung. Du versuchst mit aller Kraft, aufrecht

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