Die Seele des Ozeans (German Edition)
stehenzubleiben, versuchst weiterzugehen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, irgendwie voranzukommen. Auch wenn es unendlich mühsam ist. Du kämpfst, versagst, verzweifelst und fürchtest dich, bis du denkst, es würde nie aufhören. Und dann kommt jemand und sagt dir, dass du am Ziel bist. Er sagt dir, dass du alles richtig gemacht hast, weil du genau dort bist, wo du schon immer sein wolltest. An deinem wahren Zuhause, wo es keine Vergangenheit und keine Zukunft mehr gibt.“
Faes selige Müdigkeit erhielt einen Riss. Sie starrte auf das Glänzen des Wassers unmittelbar vor sich, das aussah, als würde es von einem hellen Mond beschienen. Aber es war das surreale Leuchten jenes Körpers, an den sie sich schmiegte. Kjell hatte ihr lebenslanges Sehnen in Worte gefasst und den Finger auf etwas gelegt, dessen Sinn sie erst jetzt begriff. Ihr wahres Zuhause. Keine Vergangenheit und keine Zukunft. War es nicht das, was sie sich immer gewünscht hatte?
Als Fae aufblickte, sah sie, dass das Licht sie fast erreicht hatte. Kjell gab einen leisen, summenden Laut von sich, der etwas unglaublich Beruhigendes an sich hatte.
„Hol tief Luft“, flüsterte er. „Drücke meinen Arm, wenn du wieder nach oben musst oder wenn irgendetwas nicht stimmt.“
„Was wird passieren? Wie fühlt es sich an?“
„Du wirst dir wünschen, dass es nie mehr aufhört.“
„Das tue ich schon.“ Sie hob den Kopf und sah ihn an. Er war so nah, so nah. Die Silbersprenkel flirrten in seinen Augen, seine Lippen hoben sich zu einem zaghaften Lächeln.
„Könnte ich so werden wie du?“, fragte sie. „Können sie mich verwandeln?“
Er sagte nichts, erwiderte nur schweigend ihren Blick.
„Wenn sie es können, dann sage ihnen, dass ich es will.“
„Sie sind zu schwach“, antwortete er.
„Ihre Kraft wird gerade noch ausreichen, dich zu heilen.“
Die Erkenntnis traf sie wie der Schlag einer Faust. Warum hatte sie daran nicht mehr gedacht? „Sie werden erlöschen! Das darfst du nicht tun. Sie sind da, um dich zu heilen.“
„Die Wesen besitzen ihren eigenen Willen“, sagte er ruhig. „Sie tun nur, wofür sie sich selbst entscheiden, und dass sie hierher gekommen sind, bedeutet, dass sie dir etwas zu geben haben.“
„Nein!“, widersprach Fae. „Sie sind wegen dir gekommen!“
Aber Kjell schüttelte den Kopf. „Ich sehe sie nur, wenn ich krank oder verletzt bin. Aber ich bin weder das eine noch das andere. Sie kommen deinetwegen.“
„Ich will nicht, dass du … was ist, wenn …“
Er packte ihren Kopf mit beiden Händen, beugte sich vor und erstickte ihren Protest in einem Kuss.
Fae keuchte auf.
Binnen eines Atemzuges rückte alles in weite Ferne. Sie spürte und schmeckte nur noch den Kuss, die salzige Weichheit seiner Lippen, die Hitze. Ihre Hände gruben sich in sein nasses Haar, während er sich mit ihr in den Armen langsam drehte – und abtauchte.
Das Wasser schloss sich über ihnen. Fae wollte ihn aufhalten, wollte irgendetwas tun, doch sein Kuss erfüllte ihren Körper mit einer Lähmung, gegen die sie nichts ausrichten konnte und wollte. Ihre Zungen berührten sich in dem Moment, in dem die pulsierende Wärme der Wolke sie einschloss. Für einen Moment tastete sich Angst durch ihren Rausch, denn plötzlich wurde ihr klar, was hier geschah. Etwas völlig Unbegreifliches, etwas Magisches, über das sie keine Kontrolle hatte … etwas, das nach allen Naturgesetzen unmöglich war … doch dann kam das Glühen, so sanft und erlösend. Es hüllte ihren Körper ein und zog sie fort, weg von Kjell. Seine Hände lagen nicht mehr auf ihrer Haut, seine Lippen berührten sie nicht mehr.
Sie war allein.
Fae spürte die Bewegungen unzähliger, kleiner Wesen, die sie umwölkten, umschwebten, durch ihre Haut zu dringen schienen und sie leuchten ließen. Alles verlor sich in einem schwerelosen Glücksgefühl. Sie vergaß, dass sie unter Wasser war. Atmen war unnötig.
Alles war erfüllt von diesem herrlichen, strahlenden Licht, und ganz langsam wurde auch ihr Körper zu Licht, verlor seine Fleischlichkeit, verglühte und löste sich auf …
Oh ja … oh ja … endlich.
Du bist, wo du immer schon sein wolltest. In deinem wahren Zuhause. Ohne Vergangenheit und ohne Zukunft. Komm, lass dich treiben. Alles ist vorbei. Alles ist richtig. Lass los, Fae …
Doch dann kam eine Stimme, die anders klang. Falsch und lästig.
Fae … Fae, sag etwas …
Fae … Fae … Fae …
Der Name wehte durch ihre Wahrnehmung, ohne
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