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Die Seele des Ozeans (German Edition)

Die Seele des Ozeans (German Edition)

Titel: Die Seele des Ozeans (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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schnell, viel schneller als seines jemals geschlagen hatte. Es gab wohl keinen überwältigenderen Anblick als einen riesigen Pottwal, der langsam aus dem Blau der Tiefe auftauchte. Er war unzählige Male mit diesem Tier geschwommen, aber jetzt war es, als sähe er seine Schönheit und Größe zum ersten Mal. Faes Staunen wurde zu seinem Staunen, ihre Freude zu seiner Freude.
    In jeder Bewegung des Wales lag majestätische Ruhe. Sonnenlicht fiel durch die Wellen und tanzte wie ein Netz aus Licht über seinen grauen Leib. Inzwischen war der Kalmar tot. Dicht unter der Oberfläche verschlang das Tier seine Beute, während Alexander und Ukulele ihn dabei filmten.
    Kann ich ihnen trauen?, fragte der Wal auf seine wortlose Weise.
    Ja, antwortete Kjell. Sie sind nicht wie die anderen.
    Zwei große Narben prangten auf dem Rücken des Pottwals, Spuren von Harpunen, doch trotz dieser Erfahrung, deren Erinnerung in all den Jahrzehnten nicht blasser geworden war, ließ der Wal es zu, dass Ukulele dicht an ihn heranschwamm und seine Haut berührte. Nach einer Weile drehte er sich gar auf die Seite und nahm jeden der ungewohnten Eindringlinge in Augenschein.
    Sie sind so klein, wehte es durch Kjells Geist. So schwach. Wie können so kleine Wesen uns wehtun?
    Er ließ seinen Körper erschlaffen und sank ein Stück tiefer.
    Ich weiß es nicht.
    Vielleicht, weil nichts ihren Hunger stillt?
    Kjell hielt Abstand, genoss die Freude der Menschen und versuchte, sein kochendes Blut zu kühlen. Aufmerksam lauschte er auf die Signale, die vom Wasser zu ihm getragen wurden, bis er hörte, wonach er suchte.
    Eine Delfinschule.
    Sein Ruf kam fast augenblicklich als vielfaches Echo zurück. Begeisterung wehte ihm entgegen, während die Schule sofort ihre Richtung änderte und ihnen entgegenstrebte, gierig auf jede Abwechslung, die es im Meer zu finden gab. Es dauerte nicht lange, bis er die ersten der schwarzgrauweißen Tiere im Blau ausmachen konnte. Wie nannten die Menschen sie noch mal? Er dachte eine Weile darüber nach, durchforstete im Geiste alle gelesenen Bücher, bis es ihm wieder einfiel.
    Weißseitendelfine .
    Der spielerische Übermut der Tiere brachte das Meer zum Kochen. Zuerst waren es nur einzelne Schatten, die nach und nach aus dem Blau auftauchten, pfeilschnell die Objekte ihrer Neugier umkreisten und Schweife aus sprudelnden Blasen durch das Wasser zogen. Aber bald wurden es mehr, immer mehr und mehr, bis die gesamte Schule wie ein hektischer Wirbelsturm durch das Wasser schoss. Sie klickten, pfiffen und quietschten, zogen ihre Kreise enger und enger, bis die mutigsten Delfine begannen, Kontakt zu den Menschen aufzunehmen.
    Faes Glück durchzuckte ihn wie köstliche Wellen. Überall spürte er Lebendigkeit und Freude. Nie zuvor war er so zufrieden gewesen, und dieses Gefühl fand sein Echo in Fae, Alexander und Ukulele. Warum die Menschen trotzdem schon nach kurzer Zeit zum Schlauchboot zurückschwammen, begriff Kjell zunächst nicht. Doch dann erinnerte er sich an den Vorfall im Wrack.
    Sie können nur eine Zeit lang unter Wasser atmen.
    Die Luft in ihren Flaschen geht ihnen schnell aus.
    Er folgte ihnen hinauf an die Oberfläche, verwandelte seinen Fischkörper noch unter Wasser in zwei Beine und zog sich in das Boot. Wie plump und schwer sich die Welt aus Luft anfühlte, ganz zu schweigen davon, dass er das brennende Salzwasser aus seinen vernachlässigten Lungen husten musste.
    Fae klopfte ihm fürsorglich auf den Rücken, stieß ein leises Zischen aus und betastete die immer noch sichtbaren Kiemen an seiner Seite.
    „Wie fühlt sich das an?“
    „Wenn du sie berührst oder wenn ich dadurch atme?“
    „Letzteres.“
    In Ermangelung eines besseren Wortes erwiderte er : „Erfrischend.“
    „Erfrischend?“, echote Ukulele unbefriedigt. „Mehr nicht?“
    „Wie würdest du jemandem, der sein Leben lang blind war, Farben beschreiben?“
    „Blau ist kühl, rot ist warm, grün ist …“ Hinter der Stirn des Hawaiianers arbeitete es. „Fruchtbar? Orange saftig? Fruchtig? Und Braun … hm, keine Ahnung. Schokoladig?“
    „Aber der Blinde weiß nicht, wie Schokolade aussieht. Nur, wie sie schmeckt. Er würde nie wirklich verstehen, was Braun ist. Oder grün. Farben wären für ihn ein ewiges Rätsel.“
    Fae, Alexander und Ukulele sahen ihn einen Moment lang skeptisch an, dann lachten, redeten und schnieften sie so laut und hektisch durcheinander, dass ihm, als auch noch der Bootsmotor ansprang, schwindelig von all den

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