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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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an? Ich kann mich an Strömungen orientieren.“ Kjell sagte es so gleichmütig, als rede er über völlig belanglose Fähigkeiten und Umstände. „Oder am Geschmack und an der Temperatur des Wassers. Oder ich schwimme einfach irgendwohin, weil es egal ist, wo ich ankomme.“
    Fae seufzte.
    Oder ich schwimme einfach irgendwohin …
    Das Tosen von Wind und Wellen draußen vor dem Haus machte ihre Sehnsucht noch schlimmer. Sie stellte sich vor, hinauszurennen, ihre Menschengestalt hinter sich zu lassen und in das schäumende, finstere Meer zu springen. Wieder kam ihr das Gemälde in den Sinn. Es hatte genau diese Sehnsucht ausgedrückt. Dieses unbändige, wilde Gefühl, diese berauschende Dunkelheit eines stürmischen Ozeans, in dem sich alle Fesseln auflösten.
    Weil es egal ist, wo ich ankomme …
    In Alexanders Augen schien derselbe rastlose Wunsch nach Grenzenlosigkeit zu liegen. „Weißt du“, flüsterte er, „dass die meisten Menschen von Freiheit nur träumen können?“
    „Was gäbe ich dafür“, brummte Ukulele, „mich nicht mehr mit der elend schweren Ausrüstung abschleppen zu müssen, um tauchen zu gehen. Kein zu enger Neoprenanzug, keine Berechnungen und keine Dekostops. Diese Wesen, von denen du erzählt hast, können sie jeden Menschen verwandeln?“
    „Selbst wenn sie es könnten“, antwortete Kjell, „würde es euch nichts nützen. Die Wesen, die zu mir gehören, sind schon lange nicht mehr stark genug, um jemanden zu verwandeln. Es müsste ein neuer Schwarm aus dem Portal kommen, aber das geschieht nur sehr selten.“
    „Immerhin ist es in den letzten paar Jahrhunderten schon zwei Mal vorgekommen“, bemerkte Ukulele. „Damit hätten wir eine höhere Wahrscheinlichkeit als beim Lottospielen. Ich würde gerne mal diese Meerjungfrau sehen! Aber was würde aus mir werden, wenn ich einen Schwarm finde? Oder wenn ein Schwarm mich findet? Ich habe die Wahl zwischen Seeelefant und Belugawal. Oh nein, ich wäre kein schöner Anblick. Dir steht das Fischsein besser, mein Freund.“
    Fae kicherte in Kjells Hemd. Eine Zeit lang kehrte wieder Stille ein. Niemand stellte eine weitere Frage. Mal starrten ihr Bruder und der Hawaiianer ins Leere, mal musterten sie Kjell mit seltsamen Gesichtsausdrücken, die sie nicht interpretieren konnte. Etwas an dieser Situation war unangenehm. Sie spürte ein kribbelndes Gefühl in ihrem Kopf und im Bauch, das zunehmend stärker wurde. Als würde sie auf einem Seil über einem Abgrund balancieren und mit jeder verstreichenden Sekunde unsicherer werden.
    „Lies uns was vor, Ukulele.“ Fae deutete auf das Buch, das wie immer auf dem Tisch lag. „Henry scheint noch eine Weile beschäftigt zu sein.“
    „Besser nicht. Ich bin kein talentierter Vorleser.“
    „Natürlich bist du das. Ich mag deine Stimme. In dem Buch muss es eine Geschichte über einen Narwal geben. Such sie raus.“
    Der Hawaiianer seufzte, ergab sich mit einem Kopfschütteln in sein Schicksal, griff nach dem Buch und suchte nach dem Inhaltsverzeichnis.
    „Das Narwalhorn“, sagte er nach einigem Hin- und Hergeblätter. „Meinst du die?“
    „Ich glaube schon.“
    „Also gut.“ Ukulele schlug die entsprechende Seite auf, räusperte sich und begann zu lesen:
    „Vor langer Zeit lebte hoch im Norden eine Herde von Narwalen. Sie verbrachten ihr Dasein in Frieden und mussten, bis auf die manchmal vorbeiziehenden Orcas, nichts fürchten, denn den Menschen waren sie heilig. Unter ihnen gab es einen weißen Wal, der so hell und strahlend leuchtete, dass man in ihm kein Tier, sondern einen Gott sah. Sein Horn war schöner und länger als das jedes anderen Narwals, doch keiner der an jener Küste lebenden Menschen wäre jemals auf den Gedanken gekommen, den weißen Wal seines Elfenbeins wegen zu töten. Solche Art von Kostbarkeit war ihnen fremd.
    Kostbar waren für sie das Leben, die Nahrung und die Familie. Die Kinder dieses Wals waren dunkel gefleckt wie gewöhnliche Tiere, doch unterschieden sie sich von den anderen durch ein schneeweißes, besonders langes Horn.
    Eines Sommers wurden die Nahrungsgründe im angestammten Gebiet der Wale knapp, und so entschied die Herde, nach einer neuen Heimat zu suchen. Sie wanderten viele Monde an den Küsten des Nordens entlang, bis sie eine geschützte Bucht fanden, in der es vor Futter nur so wimmelte. Dort ließen sie sich nieder, fraßen sich dick und rund, gebaren ihre Kinder und lebten ebenso glücklich wie in ihrer alten Heimat.
    Eines Tages aber tauchten

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