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Die Seele heilen

Die Seele heilen

Titel: Die Seele heilen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wehner-Zott , Hubertus Himmerich
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Kranken erschüttert, denn er erlebt sich als entscheidungs- und im schlimmsten Fall sogar als lebensunfähig. Ein akut depressiver Mensch kann sich nicht vorstellen, dass er jemals wieder in der Lage sein wird, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Die Entscheidungsunfähigkeit bildet sich aber im Verlauf der Genesung wieder zurück. Ich erlebte das an mir im Zusammenhang mit dem Klinikwechsel, den mir mein Arzt in der ersten Klinik vorgeschlagen hatte. Dazu musste ich in die neue Klinik fahren und mich dort vorstellen. Die Entscheidung, das zu tun, fiel mir erstaunlich leicht. Mir behagte es in der ersten Klinik nicht, also wollte ich in eine andere. Punktum. In dieser Situation erlebte ich zum ersten Mal seit dem Ausbruch meiner Depression wieder, dass ich tief in meinem Innersten wusste, was für mich richtig war. Seitdem habe ich viele kleinere und auch einige größere Entscheidungen getroffen. Das war gerade bei diffizilen Sachverhalten oft nicht leicht und gelegentlich erwiesen sich getroffene Entscheidungen im Nachhinein als falsch. Aber das geht schließlich jedem Menschen so. Ich glaube aber, dass Menschen, die zu Depressionen neigen, vom Charakter her eher dazu tendieren, sich selbst und ihre Entscheidungen immer wieder zu hinterfragen. Und wer sich selbst in einer Depression als lähmend entscheidungsunfähig erlebte oder aufgrund der Depression falsche Entscheidungen fällte, wird diese schmerzhafte Erfahrung nicht so schnell vergessen. Auch für mich sind deshalb schwierige Entscheidungen immer noch eine Herausforderung, aber ich bin dabei, vier wichtige Lektionen in Bezug auf Entscheidungen und Lebensbewältigung zu lernen.
    1. Zu getroffenen Entscheidungen stehen: Wenn ich etwas entscheiden muss, hole ich natürlich wichtige Informationen zur Sachlage ein. Aber ich höre auch auf mein Gefühl, meine innere Stimme, denn sie weiß meistens, was mir guttut. Der Psychiater Viktor Frankl schrieb, man müsse sich »half sure but whole-heartedly« entscheiden. Das heißt, wenn wir eine Entscheidung treffen, können wir nie ganz sicher sein, dass sie sich im Nachhinein als richtig erweisen wird. Aber wir dürfen sie trotzdem nicht halbherzig treffen, sondern sollen zu ihr stehen. Natürlich kann und soll man eine Entscheidung noch mal überdenken, wenn sich die Umstände verändert haben und die Entscheidung deshalb nicht mehr trägt. Frankls Ausspruch wendet sich lediglich gegen die anstrengende Angewohnheit, einmal getroffene Entscheidungen sofort wieder zu hinterfragen und zurückzunehmen. Denn das kostet – alle Beteiligten – Nerven und Energie
    Diese Lebensweisheit zu verstehen und sie zu predigen ist einfach, aber danach zu leben fällt mir nicht immer leicht. Aber ich glaube, beobachten zu können, dass die »Entscheidungsdesaster« in meinem Leben in letzter Zeit ein bisschen seltener werden. Das lässt mich hoffen.
    2. Man kann sich nicht »nicht entscheiden«: Wir können wohl eine Entscheidung so lange hinauszögern, bis der richtige Zeitpunkt verstrichen ist. Durch das Sich-Drücken gelingt es uns aber nicht, die Entscheidung zu umgehen. Denn in Wirklichkeit haben wir uns entschieden, und zwar dagegen. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn ich hin und her überlege, ob ich wirklich 80 Euro für ein Konzert von Tina Turner ausgeben will, ist es irgendwann zu spät und es gibt keine Karten mehr. Meine Unentschiedenheit war dann in Wahrheit eine Entscheidung gegen das Konzert.
    Ich glaube, dass in der heutigen Zeit, in der wir so viele Möglichkeiten haben, unser Leben so oder so zu gestalten, die Angst vor einer Entscheidung immer größer wird. Da uns so vieles offensteht, wollen wir auch möglichst alles ausprobieren und drücken uns vor einer endgültigen Entscheidung, weil noch etwas Besseres nachkommen könnte. Wenn ich mich aber immer nur halbherzig an eine Sache oder Person binde, dann bleibt mein Leben im Vorläufigen stecken. Ich halte mir dadurch zwar viele Möglichkeiten offen, aber dies ist nicht immer mit einem Zugewinn an Lebensqualität verbunden.
    Entscheidungen zu treffen ist manchmal anstrengend, aber es lohnt sich. Denn wenn ich mich bewusst für etwas entscheide, dann nehme ich die Fäden meines Lebens selbst in die Hand. Und diese proaktive Lebenshaltung ist gut für die psychische Stabilität. Denn ich erlebe mich dann nicht als »Opfer« der Verhältnisse, sondern ich lege den Kurs meines Lebens selbst fest.

    Entscheidungsdesaster
    Einmal hatte ich mich für ein

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