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Die Seele heilen

Die Seele heilen

Titel: Die Seele heilen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wehner-Zott , Hubertus Himmerich
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ungewissem Wetter überhaupt zum Schlittschuhlaufen geht oder lieber zu Hause bleibt und ob er lieber am Rand steht oder sich bewegt. Ich habe also lediglich die Möglichkeit angeboten, zu meiner Feier zu kommen, die Entscheidung darüber, ob und wie jemand kam, lag nicht in meiner Macht.

    Aber alte Verhaltensmuster sind zäh, und wenn mir all die klugen Gedanken das Unbehagen nach einer falschen Entscheidung nicht nehmen können, dann stelle ich mir vor, dass ich meine Fehlentscheidung abgebe in die Hände einer höheren Macht, die mich akzeptiert, auch wenn ich mich falsch entschieden habe.
    SABINE WEHNER-ZOTT
Rückkehr in die Berufstätigkeit
    Mein Beruf war nicht der Auslöser meiner Depression gewesen, ich hatte meistens Spaß an der Arbeit gehabt und mich im Kreise meiner Kollegen wohlgefühlt. Insofern war es leicht, nach meiner Genesung dort wieder anzuknüpfen. Meine Fähigkeit, mich zu konzentrieren, war wieder zurückgekehrt, und so war ich zuversichtlich, dass ich dem Schulalltag gewachsen war.
    Dennoch sah ich meinem ersten Schultag nach fast einem Vierteljahr Abwesenheit mit gemischten Gefühlen entgegen. Wie würden die Schüler und Kollegen reagieren? Um das herauszufinden, ging ich schon einen Tag, bevor meine Krankschreibung endete, in die Schule. Die freundliche Begrüßung durch meine Kollegen und die Schüler tat wohl – und dadurch gestärkt, konnte ich am nächsten Tag meine Arbeit gut wieder aufnehmen.
    Bald war alles wie immer
    Sowohl Kollegen als auch Schüler gaben an meinem ersten Arbeitstag ihrer Freude über meine Rückkehr durch kleine Gesten Ausdruck: Ein kleiner Blumenstock stand auf meinem Platz im Lehrerzimmer, eine Klasse hatte mit meiner Vertretung ein Willkommenslied einstudiert und die Mädchen meiner Abiturklasse hatten Kuchen gebacken und Tee gekocht. Das tat mir sehr gut. Ich will aber nicht verhehlen, dass ich davor immer und immer wieder überlegt hatte, wer wohl was wann sagen könnte. Eine Freundin half mir schließlich, meiner Rückkehr und ihrer Wirkung auf meine Umwelt das richtige Gewicht zu geben. Sie stellte pragmatisch fest: »Sei mal realistisch. Nicht die ganze Welt dreht sich um dich und deine Depression. Es wird für deine Umwelt kurz interessant sein, dass du wieder da bist und wie es dir geht, aber dann geht jeder wieder seinen Geschäften nach und denkt nicht den ganzen Tag über dich nach.« Und sie behielt recht – niemand fragte groß nach oder benahm sich merkwürdig und bald war alles wie immer.
    Die Diagnose mitteilen – ja ...
    Meine Chefin und meine Kollegen kannten meine Diagnose. Die Ärztin in der Klinik hatte mich zwar darauf hingewiesen, dass ich nicht verpflichtet sei, meinem Arbeitgeber die Art meiner Krankheit mitzuteilen. Das könne sogar negative Folgen für mich haben. Ich wollte aber keine Heimlichkeiten und meldete meine Diagnose weiter, sobald feststand, woran ich litt. Dadurch wusste meine Chefin, dass ich länger ausfallen würde, und sie konnte einen Ersatz für mich organisieren. Auch meinen Kollegen hatte ich aus der psychosomatischen Klinik geschrieben, was mir fehlte, sodass auch sie im Bilde waren. Ich musste mich also bei meiner Rückkehr weder verstellen noch lange erklären, welche Krankheit ich gehabt hatte. Ich finde, reinen Wein einzuschenken spart viel Energie, weil man sich nicht irgendwelche Lügengeschichten ausdenken und sich merken muss, wem man was erzählt hat.

    Gelungener Wiedereinstieg
    Die Ärzte hatten mich darauf aufmerksam gemacht, dass es die Möglichkeit eines langsamen Wiedereinstiegs mit sich schrittweise steigernder Wochenarbeitszeit gab, die sogenannte »stufenweise Wiedereingliederung«. Einige meiner Mitpatienten hatten sich dafür entschieden und waren damit gut gefahren. Ich hatte aber auch vor meiner Krankheit nicht Vollzeit gearbeitet und bei meiner Rückkehr wollte ich nicht den einzelnen Schülern erklären müssen, warum ich manche Klassen unterrichte und andere nicht. Deshalb beschloss ich, ganz normal einzusteigen und die gleiche Anzahl von Stunden zu geben wie zuvor.
    Und es gelang. Am Anfang brauchte ich wesentlich mehr Zeit für die Vorbereitung meines Unterrichts als vor meiner Erkrankung. Ich überlegte mir jeden Unterrichtsschritt ganz genau, da ich meiner Spontaneität noch nicht vertraute und deshalb für möglichst viele Eventualitäten gewappnet sein wollte. Ich ermüdete auch schneller als vorher. Aber bald spielte sich alles wieder ein und die Tage, an denen ich fast vergaß,

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