Die Seele heilen
dass ich so lange in der Schule gefehlt hatte, nahmen zu.
Meinen Schülern gegenüber hielt ich eine eher allgemeine Erklärung für angemessen. Ich sagte ihnen, dass meine Krankheit eine schwerwiegende Sache gewesen ist, dass ich aber wieder gesund sei. Diese Information reichte ihnen. Hätten sie nachgefragt, hätte ich ihnen erklärt, dass es sich um eine Stoffwechselstörung gehandelt habe, die aber wieder behoben sei. Wären die älteren Schüler dann auf Depression gekommen, hätte ich dazu gestanden und ihnen erklärt, wie eine Depression aus medizinischer Sicht entsteht, dass sie heilbar ist und keine Auswirkungen auf Intelligenz oder Persönlichkeit hat. Mit meiner Therapeutin hatte ich alle möglichen Gesprächssituationen durchgespielt und fühlte mich deshalb relativ entspannt. Ich hätte mir aber nicht so viele Gedanken zu machen brauchen. Für die Schüler war wichtig, dass ich wieder da war; was ich gehabt hatte, war für sie von geringerem Interesse.
Wenn Schülereltern zu penetrant nachfragten, sagte ich meist: »Es war eine schwierige Sache und ich bin wirklich froh, dass es mir wieder gut geht. Erinnern Sie mich besser nicht daran.« Das signalisierte meinen Gesprächspartnern, dass ich nicht weiter über das Thema reden wollte.
... oder nein?
Leider haben nicht alle Menschen einen so verständnisvollen Arbeitgeber wie ich. Gerade in Berufssparten, in denen der Konkurrenzdruck groß ist, ist es nicht so einfach, eine psychische Erkrankung einzugestehen. Das kann nämlich immer noch ein Stolperstein auf der Karriereleiter sein. Und die Wirtschaftskrise und die damit verbundene Verknappung der Arbeitsplätze macht die Situation nicht leichter.
Wie die Lage bei Ihnen ist, können nur Sie selbst einschätzen. Beraten Sie sich mit Ihrem Therapeuten, um herauszufinden, was in Ihrem Fall am besten ist.
Wie auch immer Sie sich entschieden haben, Ihre Kollegen haben in Ihrer Abwesenheit wahrscheinlich Mehrarbeit leisten müssen, um Sie zu ersetzen. Es tut dem Arbeitsklima gut, wenn Sie ihnen das Gefühl vermitteln, dass Sie diesen Einsatz schätzen. Ein Kollege zum Beispiel lud nach längerer Krankheit das ganze Kollegium in der Mittagspause zu Pfälzer Würstchen ein. Ich entschied mich für die »kleine Lösung« und beschenkte die Kollegen, die mich vertreten hatten, mit Pralinen.
Mehr Zeit für Regeneration
Planen Sie gerade in den ersten Wochen nach Ihrem Arbeitsantritt genügend Regenerationszeit ein, damit Sie sich nicht überfordern und Ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Am Anfang muss man sich erst wieder daran gewöhnen, einige Stunden am Stück tätig zu sein. Aber so, wie man durch regelmäßiges Joggen Kondition aufbaut und allmählich mit immer geringerem Kraftaufwand immer weiter laufen kann, so gewöhnt man sich auch wieder an das Arbeiten und kann mit der Zeit wieder länger durchhalten.
Ich stellte fest, dass mein Energiereservoir nach der Depression nicht mehr so randvoll war wie vorher, sodass es ermüdender wurde, nach einem Arbeitstag noch ein großes Abendprogramm zu erledigen. Vielleicht war es aber auch nur so, dass ich durch die Depression gelernt hatte, überhaupt wahrzunehmen, dass ich müde war. Auf jeden Fall brauche ich jetzt mehr Erholungsphasen, in denen sich mein Hirn von Anstrengung erholen kann, und erstaunlicherweise konnte ich mit der Zeit auch an ruhigen Abenden Gefallen finden.
Auf die Heilung vertrauen
Vor der Depression war ich von mir gewohnt, vieles gleichzeitig in Angriff nehmen zu können und jeden Tag ein großes Pensum zu erledigen. Ich konnte Zusammenhänge schnell erkennen und lange an einem Stück geistige Arbeit leisten. Plötzlich ging das nicht mehr. Ich erlebte mich als fahrig, entscheidungsschwach, unkonzentriert. Mit der Zeit wurde es aber wieder besser und nach einigen Wochen war meine normale Konzentrations- und Denkfähigkeit wiederhergestellt. Ich war mir dessen bewusst, doch meine Unbeschwertheit war dahin und gerade in der Zeit, kurz bevor ich wieder an meinen Arbeitsplatz zurückkehrte, regten sich Zweifel, ob es mir gelingen würde, wieder richtig zu funktionieren. Was mir half, waren die Ausführungen von depressionserfahrenen Ärzten, die versicherten, dass eine starke Konzentrationsschwäche oft Kennzeichen der Depression ist, aber mit der Ausheilung der Krankheit wieder vergeht.
Sie können wirklich darauf vertrauen, dass sich mit dem Fortschritt der Heilung auch die Konzentrationsfähigkeit wieder verbessern wird, auch wenn
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