Die Seele heilen
bewirkt sein Verhalten. Halten Sie zu ihm, auch wenn er es Ihnen nicht leicht macht.
Anhänglichkeit
Der Depressive zieht sich oft von seinem Bekanntenkreis zurück, aber das kann auch damit gepaart sein, dass er sich an eine bestimmte Person klammert, von der er sich Beistand in seiner unendlichen Dunkelheit erhofft. Als ich akut depressiv war, war mir mein Mann ein großer Halt, der mich immer wieder daran erinnerte, dass er mir versprochen hatte, in guten und in schlechten Tagen zu mir zu stehen. In meiner depressiven Stimmung wagte ich es kaum zu glauben, aber es gab mir doch ein kleines Fünkchen Hoffnung.
Kurzfristiger Rollentausch
Ich kann mich noch gut an einen Nachmittag im Herbst erinnern, als ich die Klinik für einen kurzen »Heimaturlaub« verlassen hatte. Unser mittlerer Sohn hatte auf einen Oktoberfestbesuch verzichtet, um mich zu »betreuen«. Weil ich ihm so den Nachmittag mit seinen Freunden raubte, hatte ich ein fürchterlich schlechtes Gewissen, aber dennoch war ich froh um seine Nähe. Ich weiß noch, wie ich unter Tränen zu ihm sagte: »Eigentlich sollen Mütter ihre Kinder beschützen, aber jetzt kann ich nicht und brauche dich.«
Ich fühlte mich in der akuten Phase der Depression wie ein kleines, krankes Kind, das unbedingt Betreuung von der Mutter braucht. Die »Mutterrolle« übernahm vor allem mein Mann. Bei ihm fühlte ich mich noch am sichersten. Seine Nähe ließ mich für einige Minuten so etwas wie Geborgenheit ahnen, dann aber verschluckte mich die Dunkelheit wieder. Wichtig aber war für mich auch die Zuwendung unserer Söhne.
Die Bereitschaft meiner Familie, zu mir zu stehen, heilte nicht meine Depression – dazu bedurfte es der Medizin und Psychotherapie –, aber ihre Zuneigung ließ mich doch oft für eine kurze Zeit aus der Depression auftauchen und gab mir Kraft, wenn die dunklen Wellen wieder über mir zusammenschlugen.
Stehen Sie also zu dem Kranken. Denken Sie daran, dass es immer noch der geschätzte und geliebte Mensch ist, der jetzt todtraurig und handlungsunfähig vor Ihnen sitzt. Es tut ihm gut, wenn Sie ihm zu verstehen geben, dass Sie auch in dieser Situation zu ihm stehen und die Krankheit und seine Gefühle so akzeptieren, wie sie derzeit sind.
Was Licht ins Dunkel bringt
In der Akutphase der Depression war es mir vor allem wichtig, zu wissen, dass meine nächsten Bezugspersonen für mich da waren. Was mir aber auch guttat, waren regelmäßige Besuche oder Telefonate von und mit Menschen, die mir nahestanden.
Es ist nicht leicht, sich auf eine Begegnung mit einem schwer depressiven Menschen einzulassen, da dessen tintenschwarze Dunkelheit der Seele schwer auszuhalten ist. Und man weiß auch nicht, in welcher Verfassung man den Kranken antrifft. Ich bin sehr froh, dass es manche Freunde und Bekannte wagten, den Weg zu mir zu gehen. Ich denke da zum Beispiel an meine Freundin Doris, die mit mir eines Nachmittags, als es mir noch ganz schlecht ging, zu einem See fuhr. Wir mussten vier Mal umkehren, weil ich nicht wusste, ob ich nicht doch lieber nicht dorthin fahren wollte, und ständig wiederholte ich gebetsmühlenhaft, dass alles doch keinen Sinn habe. Doris, die sich in das Thema Depression eingelesen hatte, verstand es auch, mir durch ihre regelmäßigen Anrufe, bei denen sie mir manchmal ein Gebet oder Gedicht vorlas, Mut zu machen.
Unsere liebe Nachbarin und Freundin Martina kam immer mittwochs mit unserem Jüngsten in die Klinik und unternahm, wenn es mir möglich war, einen kleinen Ausflug mit uns. Und Fränzi, eine andere Nachbarin, rief mich regelmäßig jeden zweiten Tag an und erzählte mir Neuigkeiten aus der »Heimat«.
Was mir auch sehr half, war, dass auch unsere Kinder versuchten, sich an meine eingeschränkten Fähigkeiten anzupassen. Wenn ich auf »Heimaturlaub« war, spielten sie zum Beispiel einfache Brettspiele mit mir, die nicht zu viel Konzentration erforderten, oder wir schauten uns einen seichten Film an.
All diese Zuwendung zeigte mir, dass mein Leben nicht nur aus der Sinnlosigkeit der Depression bestand. Es gibt jedoch kein Patentrezept dafür, was einem Depressiven guttut. Sie wissen am besten, was Licht in die Dunkelheit der Depression Ihres Freundes oder Angehörigen bringen könnte.
Zeit gerne schenken
Eines sollten Sie immer bedenken: Wenn Sie Ihrem depressiven Mitmenschen etwas von Ihrer Zeit schenken wollen, dann versuchen Sie, in der Zeit, die Sie mit ihm verbringen, ganz bei ihm zu sein. Da der Kranke sich
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