Die Seele heilen
ohnehin als Belastung empfindet, merkt er sehr schnell, wenn Sie sich nur halbherzig mit ihm beschäftigen und in Gedanken ganz woanders sind. Mir jedenfalls war es lieber, zu spüren, dass mir jemand seine Zeit wirklich gerne schenkte, als häufigere Pflichtbesuche zu empfangen, bei denen sich dann beide Beteiligten unwohl fühlten. Überlegen Sie also genau, ob, wann und wie viel Zeit Sie aufwenden möchten.
Regelmäßige Verabredungen
Befindet sich Ihr depressiver Freund oder Angehöriger nicht in einer Klinik, die eine feste Tagesstruktur vorgibt, sind feste Verabredungen besonders wichtig. Zum Beispiel zeigt ein regelmäßiger abendlicher Spaziergang dem Kranken nicht nur Ihre Zuwendung, sondern aktiviert ihn auch und gibt ihm so das Gefühl, etwas zu schaffen.
Überfordern Sie sich nicht
Der Umgang mit einem depressiven Menschen ist, wie Sie am eigenen Leib erfahren, anstrengend und wahrlich kein Honiglecken. Trotzdem wollen Sie helfen, sonst würden Sie dieses Buch nicht lesen. Schonen Sie aber Ihre Kräfte. Und das geht am besten, wenn Sie das für Ihren Patienten tun, was Sie persönlich gerne tun. Es gibt viele verschiedene Arten zu helfen. Zwingen Sie sich möglichst nicht zu etwas, das Ihrem Wesen widerspricht. Eine unserer Nachbarinnen zum Beispiel wäre überfordert gewesen, wenn sie mich in der Klinik besucht hätte, da sie eine Scheu vor jedweder Art von psychischer Erkrankung hat. Hätte sie sich doch widerwillig zu mir auf den Weg gemacht, wäre der Besuch wahrscheinlich weder für sie noch für mich besonders angenehm verlaufen. Sie fand stattdessen ihre ganz persönliche Art, uns beizustehen. So kochte sie manchmal für unsere Kinder und das tat sie gerne.
Unser älterer Sohn dagegen kam zwar immer wieder zu mir in die Klinik, aber er hätte regelmäßige, zeitlich vorgegebene Besuche als eine Zumutung empfunden. So rief er dann an, wenn er Zeit hatte und fragte, ob ich Lust auf eine kurze Radtour hätte. Da ich spürte, dass das keine Belastung für ihn war, konnte ich diese Angebote gerne annehmen.
Das soll nicht heißen, dass man immer nur nach dem Lustprinzip helfen sollte. Je näher Ihnen der Kranke steht, umso öfter werden Sie etwas für ihn tun, das gerade nicht in Ihren Tagesplan passt. Versuchen Sie dennoch herauszufinden, was Sie einigermaßen gerne tun und was Sie am wenigsten Kraft kostet.
Depressive Menschen neigen ja oft dazu, sich an eine Person zu klammern. Vor allem wenn sie nur über einen sehr kleinen Bekanntenkreis verfügen, fordern sie möglicherweise fast pausenlose Präsenz ein. Lassen Sie sich auch hier nicht zu sehr vereinnahmen und versuchen Sie, sich abzugrenzen. Der Kranke muss schließlich auch wieder lernen, mit sich selbst zurechtzukommen. Und außerdem hat er letztendlich nichts davon, wenn Sie über Ihre eigenen Grenzen gehen und dann keine Energie mehr haben. Denn wenn Sie auf der Strecke bleiben, verliert er vielleicht gerade die Person, die für ihn in der Depression (und auch darüber hinaus) die wichtigste ist.
Gönnen Sie sich Auszeiten
Ein von Ihnen geliebter Mensch ist krank und braucht Ihre Hilfe, und das auf längere Zeit. Die düstere Stimmung des Depressiven, seine Ablehnung gut gemeinter Hilfsangebote und seine gleichzeitige Anhänglichkeit lasten auf Ihnen. Es wird oft auch immer schwieriger, andere Menschen zu treffen und ein bisschen Spaß zu haben, denn die Außenkontakte schränken sich durch die Depression auch für Sie ein. Aber denken Sie daran: Ihr Angehöriger oder Freund hat die Depression und nicht Sie. Sie sind gesund und Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass es so bleibt. Sie dürfen sich deshalb ganz ohne schlechtes Gewissen Oasen schaffen, in denen nur Sie zählen, und das Problem außen vor lassen. Gönnen Sie es sich, wie gewohnt Ihren Hobbys nachzugehen, Sport zu treiben, sich regelmäßig mit Freunden zu treffen, lustig zu sein, auch wenn ein Angehöriger oder ein Freund krank ist. Lassen Sie seine Krankheit nicht Ihr ganzes Leben bestimmen.
Abgrenzung durch Klinikaufenthalt
Was meinem Mann zu schaffen machte war, dass meine Sorgen den ganzen Horizont meines Denkens ausfüllten und für ihn und seine Bedürfnisse kein Platz mehr schien. Selbst nachts konnte ich ihn nicht in Ruhe lassen. Obwohl ich wusste, wie ihn die ganze Situation stresste und wie dringend er seine Nachtruhe brauchte, warf ich mich im Bett hin und her oder lief im Haus herum, wovon er immer aufwachte. Und dann ergossen sich all meine depressiven
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