Die Seele heilen
Gedanken und Ängste über ihn. Es war schrecklich zu spüren, dass mein Verhalten ihm schadete, aber dass mir die Kraft fehlte, es zu ändern. Es war deshalb für uns alle gut, dass ich in die Klinik kam und dass mein Mann sich dadurch besser abgrenzen und sich guten Gewissens auch Auszeiten gönnen konnte.
Bedürfnisse offen aussprechen
Mir tat es gut, wenn mein Mann mir offen seine Bedürfnisse nach Auszeiten mitteilte. In den ersten Tagen in der Klinik erklärte er mir: »Du kannst immer auf mich zählen und ich werde dich so oft wie möglich besuchen. Ich werde dir nahe sein, aber ich muss auch Abstand zu deiner Krankheit haben. Denn nur dann kann ich meine Aufgaben im Beruf und mit den Kindern erfüllen.« Natürlich war es mir lieber, wenn er da war. Aber selbst in der tiefsten Depression gab es mir ein gutes Gefühl, wenn ich es ihm sozusagen zum Geschenk machte, dass er, statt mich zu besuchen, etwas für sich tat oder mit unserem Jüngsten eine zweitägige Bergtour unternahm. Hätte er während meiner Erkrankung missmutig auf solche Highlights verzichtet, wäre das unserer Beziehung sicher nicht gut bekommen. Wenn es mir aber gelegentlich gelang, meine Depression allein auszuhalten und meinen Angehörigen ihre Vergnügungen zu gönnen, dann hatte ich das Gefühl, wenigstens damit etwas Sinnvolles zu leisten.
Vorwürfe vermeiden
Es ist natürlich wichtig, dass Sie Ihre Bedürfnisse dem Kranken gegenüber auf eine Art und Weise zum Ausdruck bringen, die von ihm nicht als Angriff gesehen wird. Sagen Sie zum Beispiel nicht: »Wegen dir komme ich überhaupt nicht mehr dazu, meine Freunde zu treffen.« Oder noch schlimmer: »Ich habe die Nase voll von dir und deiner Depression. Ich gehe heute Abend weg.« Die Tatsache, dass Sie Tapetenwechsel brauchen, können Sie konstruktiver ausdrücken, zum Beispiel mit: »Ich habe das Gefühl, dass ich wieder einmal meine Freunde treffen muss, um ein bisschen aufzutanken. Ich glaube, das gibt mir neue Kraft und die können wir beide jetzt gut gebrauchen.«
So machen Sie es allen leichter
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie einmal »raus« und etwas anderes erleben müssen, dann können Sie »Ihrem« Depressiven Ihre Abwesenheit zumuten. Sie machen es ihm und Ihnen leichter, wenn Sie
den Kranken in Ihre Entscheidungsfindung einbeziehen und wenn nötig mit ihm gemeinsam überlegen, was er während Ihrer Abwesenheit tun könnte und wer Sie »vertreten« könnte,
Ihre Bedürfnisse in der Ich-Form ohne Vorwurf vorbringen,
das Gefühl vermitteln, dass Ihnen bewusst ist, wie schwer der Kranke auf Ihre Nähe verzichten kann, und dass Sie diese Leistung sehr schätzen.
Wenn Sie das geschafft haben, dann gehen Sie ohne schlechtes Gewissen und erholen Sie sich von der Krankheit Ihres Angehörigen. Das wird Ihnen und somit auch dem Patienten guttun.
Stehen Sie zu Ihren Gefühlen
»Das darfst du nicht einmal denken!«, so wies eine Tante unseren Kleinen entrüstet zurecht, als er sich beklagte: »Die Mama regt mich auf, weil sie auf einmal so komisch ist.« Als ich das bei einem Besuch zu Hause hörte, war ich natürlich verletzt und fühlte mich auch gleich wieder schuldig, aber ich war gleichzeitig fast froh, dass das Kind seinen Gefühlen verbal Luft machen konnte. Denn ich spürte, dass die reine zuckersüße Freundlichkeit mir gegenüber, die ich manchmal so »komisch« war, über seine Kräfte ging. Und er hatte ja auch irgendwie recht. Ein Mensch, der plötzlich nicht mehr »funktioniert«, der nicht einmal mehr in der Lage ist, einfachste Entscheidungen – zum Beispiel »Was ziehe ich heute an?« – zu treffen, und alles in eine dunkelschwarze Wolke der Schwermut hüllt, ist eine große Belastung für das Familienleben. Und es kommt noch dazu, dass vieles, was der Erkrankte früher ganz selbstverständlich erledigte, jetzt liegen bleibt oder von den anderen erledigt werden muss. Das kann einen schon ärgern und das darf man sich ruhig eingestehen!
Teilen Sie sich mit
Rational wissen Sie ja, dass nicht der Kranke selbst, sondern die Krankheit »schuld« ist an seinem nervenzehrenden Verhalten. Haben Sie aber kein schlechtes Gewissen, wenn sich in Ihnen dennoch gelegentlich Zorn auf Ihren depressiven Angehörigen oder Ihre depressive Freundin regt.
In seinem Buch »Seelenfinsternis« ( siehe Anhang [→] ) beschreibt der Psychiater Piet C. Kuiper diesen Zorn sehr treffend: »Die Grippe eines Familienmitglieds versetzt die anderen zutiefst in Missmut. Der psychisch
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