Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Speyer großen Einfluss. Können wir uns den zunutze machen?«
Kircher schüttelte den Kopf. »In der Gesellschaft Jesu ist man ob des Vorgehens gegen das Hexenunwesen uneins. Ich habe gestern noch einmal mit dem Direktorium gesprochen. Sie wollen sich noch nicht festlegen.«
»Dann muss es auch so gehen. Oder hat jemand einen besseren Vorschlag?« Flock sah in die Runde. »Nein? Also sind alle dafür?«
»Es muss sein«, sagte Abdias Wolff schließlich. »Wir können nicht länger zusehen. Lasst uns das Schreiben aufsetzen.«
Alle nickten. Jeder war sich der Schwere dieses Entschlusses bewusst, der tödlichen Gefahr. Aber gab es eine andere Möglichkeit? Die Alternative war zu warten, bis man irgendwann selbst an die Reihe kam. Bis keiner mehr übrig war.
Also holte Johannes Junius das Schreibzeug, und man begann zu formulieren.
Als endlich alle ihre Namen unter das Papier gesetzt hatten, war es weit nach Mitternacht. Junius siegelte das Schreiben und übergab es dem älteren der Fürst’schen Brüder. Die beiden versprachen, noch am Morgen abzureisen und die Eingabe selbst nach Speyer zu bringen.
Danach gab es nicht mehr viel zu sagen. Jeder wusste, welches Risiko er mit seiner Unterschrift eingegangen war. Einzeln machten sich die Männer auf den Heimweg.
Cornelius stieg leise und in Strümpfen die Treppe in den ersten Stock hinauf, ohne Licht zu machen. Die Bohlen unter seinen Füßen knarrten kaum, und lautlos öffnete er die Tür seiner Schlafstube, als er seine Mutter rufen hörte. Er kehrte um und ging zu ihr. Ganz offenbar hatte sie auf ihn gewartet, denn sie lag halb aufrecht im Bett, auf dem Tischchen daneben brannte flackernd ein Talglicht und schickte eine kleine Rußfahne zur Decke.
Maria Weinmann ließ das kleine Stundenbüchlein mit Bibelsprüchen und Gebeten, in dem sie gelesen hatte, auf ihren Schoß sinken. »Wo bist du gewesen?«, fragte sie und strich ihrem Sohn liebevoll übers Haar, als er sich auf die Bettkante setzte.
Cornelius schüttelte mit einem kleinen Seufzer den Kopf. »Das kann ich dir nicht sagen, Mutter.«
Sie lächelte und drohte ihm mit dem Finger. »Seit wann hast du Geheimnisse vor mir?«
»Oh, schon immer!«, scherzte er. »Du wusstest es bloß bisher nicht.« Dann wurde er ernst. »Mach dir keine Sorgen, ja?«
Sie griff nach seiner Hand. »Mein Corneli, sei vorsichtig. Nein, du musst mir nichts erzählen, ich kann mir denken, wo du heut Abend warst. Wir Frauen wissen oft mehr, als ihr Männer glaubt.« Ihre Stimme klang eindringlich, als sie weitersprach. »Du tust das Richtige. Dein Vater, Gott hab ihn selig, wäre nicht ruhig dagesessen, er würde genauso handeln. Ich weiß, er schaut von dort droben auf dich herab, und er ist stolz auf dich. Er gibt auf dich Acht.« Die Augen wurden ihr feucht, mit zitternden Fingern wischte sie eine Träne fort. »Versprich mir nur eins: Wenn es nötig werden sollte, musst du versuchen, aus der Stadt zu fliehen. Dann denk nicht an mich. Ich bin alt, meine Tage sind gezählt. Und ich will nicht zusehen müssen, wie sie dich verbrennen.«
Er nahm sie in die Arme. »Es wird alles gut werden, Mutter. Das verspreche ich.«
»Ich bete jeden Tag darum.« Sie klopfte auf das Stundenbüchlein und schob es dann unter ihr Kopfkissen. Cornelius half ihr mit geübtem Griff, die Beine auszustrecken und sich hinzulegen. Dann küsste er sie leicht auf die Stirn, zog ihre Bettdecke zurecht und blies das Licht aus. Das Versprechen, das er gerade gegeben hatte, fühlte sich wie eine Lüge an.
Brief Johannas an Cornelius vom 12.Juli 1629
Lieber Cornelius, meinen Gruß und Dank für Deinen Brieff. Ja, es gehet mir gut hier in den Niederlandten. Das Leben in der Frembde tut mir wohl; wie kleyn kommt mir Bamberg von hier aus vor! Es ist, alß ob ich neu geborn sey in eine andre Welt hinein.
Ambsterdam ist die sauberste, reichste und schönste Stadt, die man sich vorstelln kann. Sie ist auf Pfähln ins Waßer gebaut und durchzogen von Kanäln, so daß man bald mehr Schiff wie Karren zwischen den Häußern fahren sieht. Tag und Nacht höret man das Geräusch der Wellen, das Klatschen des Waßers ist die schönste Melodei der Stadt. Oft ist es aber auch recht nebligk, riecht nach Saltz und Moder, und wenn abends die Fluth stark ist, stehet in manchen Gassen das Wasser.
Das Land um Amsterdam herumb ist flach und endtlos weit. Immerfort wehet der Windt darüber, was den Leutten von gutem Nutzen ist. Denn so wie bey uns das Waßer die Mühln
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