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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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antreibet, tut es hier die Luft. Man sieht überall Thürm, an denen Holtz Gestell wie gekreuzte Finger hängen, die sind mit Leinwandt bespannt. Sie drehen sich gleichsam wie Räder, und treiben dann ein Mahlwerk oder Ähnlichs an. Es siehet lußtig aus, wenn sich die Windtflügel der vielen Mühln alle miteinander drehen, und dabei knartzt es und kracht’s, alß ob alles einstürtzen möcht.
Das Land scheinet dem Meer abgerungen, so feucht und naß und wäßrig ist es überall. Man möcht fast glauben, dass sich Frösch und Fisch darauff wohler fühlen alß die Menschen. Wo man gehet und steht, gluckert’s, plätschert’s und schwappt’s. Aber die Bauern und die Torff-Stecher haben hier ein guts Auskommen, die Zwibeln und Gelben Ruben wachsen beinah so groß als wie zu Bambergk. Und um die Stadt herumb sindt überall blühende Gärtten.
Die Ärtzte hier können mit Mitteln heylen, die ich in unßrer Apothecken nie gesehn hab, das sind Artzneyen aus der Newen Welt. Man nimbt hier gegen die Siphiliß nit mehr wie bei uns ein Quecksilber-Salben, sondern einen Aufguß aus Guajack-Holtz. Das ist dunckel grüenbraun oder auch gelblich-weiß, und so hartt, daß man es kaum hobeln kann. Wirft man’s ins Wasser, so gehet es untter, das muß ein seltzamer Baum seyn, von deme es kommt! Und gegen Schwachheyt und Müdigkeyt des Leibs gibt man ein Pulfer aus Blättern, die heißen Kocka. Auch hat man hier entdeckt, das der Taback nit nur zum Rauchen oder Schnupffen gut ist. Daraus kann man auch ein Balsam machen, der hilfft bey Wunden und Geschwülßten, und bey Gicht. Die Receptur hab ich dem Vater schon geschriben, Du kannst’s also bald ausprobiern. Gegen das Fieber hab ich aber aus der Newen Weltt noch nichts gefunden.
Alle Ding, die von weitt überm Meer kommen, werden nit einfach so auff dem Markt verkaufft, sondern über sie und ihrn Preis wirdt an eim Ort verhandelt, der heißet hier »Beurs«. Das ist ein großer Bau nach flemischer Artt, mit einem Uhr-Turm, und lieget im Hertzen von Amsterdamm, beinah auf der Krohne des Damms, nach dem die Stadt ihren Namen hat. Kaum hat’s vom Kirchthurm 12 geschlagen, so rennen und hasten die Händler und Kauffleut hinein, es müssen Hunderte seyn. Jetzt haben sie zwey Stund, um ihre Geschefft zu machen, denn wenn es zwei Uhr schlegt, dann schließt die Beurs, und alle müssen wieder hinaus. Vom Goldt und Silber, über Gewürtze, spanischen Weinbrandt, Tuche und Felle, Holtz und Fisch biß hin zu Pech oder Getreid wird gekaufft und verkaufft, und der Preis richtet sich, so weitt ich es verstanden hab, danach, wie vil von der Ware da ist und wie viel die Leutt davon wolln. Diese gantz newe Art von Handel macht die Kaufleutt reicher, alß man sich vorstelln kann. Am reichsten aber sind die von der Ostindischen und Westindischen Kompagnie, die alleyn das Recht haben, Waren aus der Neuen Weltt mit ihren Schiffen zu bringen. Und sie wöllen immer noch reicher werden. Solches Streben nach Wohlstandt und Gewinn macht das Leben in der gantzen Stadt aus.
Lieber Cornelius, erst heut kann ich verstehn, wie kleyn und alt-backen Dir Bambergk wol erschinen sein muß, alß Du von Italien heimb gekommen bist. Neulich hab ich beim Promenirn auf dem Damrak auf einer Banck geseßen, da traten zwei Händler aus Venedig nebenhin und untterhielten sich. Da hab ich zum ersten Mal die welsche Sprach richtig gehört und daran gedacht, wie Du mir so manche Wörtter beygebracht hast. Wenn ich wieder heimb komme, kann ich dieß Mal Dich das Niederländische lehren aber es klingt nit so schön.
Ja, wenn ich wieder heimkomm! Ich weiß nit, ob ich das überhaupt will, aber freilich kann ich meinem Onckel nit ewigk auff der Taschen liegen. Ich bemüh mich, zu vergeßen, waß mir zu Bambergk widerfahrn, und es gelingkt mir auch immer beßer. Du mußt Dich auch nit meinetwegen schämen. Es war schlimm, aber es ist vorbey. Das sag ich mir immer wider. Daß Du nit mehr ins Hexen Haus gehst, gereicht Dir zur Ehr. Du bist ein guther Mensch, das weiß ich wohl. Ich mein, es kombt einmal der Tagk, an deme ich Dir wieder in die Augen schaun kann.
Meine guthen Wünsch an Dich, und grueß auch Deine libe Mutter von mir.
 
Geschriben am Sontag nach Kiliani zu Ambsterdam in der Kalverstrat,
Johanna Wolffin
Post scriptum:
Ich hab hier erstaunlichs Werck von Ärtzten gesehn. Eim Matroßen wurd bei einem Rauffhandel die Naße abgeschnitten, die Wunde war erschröcklich anzusehn. Da hat ime ein Chirurgus, so nennen sie die

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