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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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draußen. Kircher stand atemlos da, die Hand gegen die Hausmauer gestützt, offensichtlich war er gerannt. »Ich hab Euch gesucht, es hieß, Ihr seid hier«, keuchte er. »Grad komme ich aus dem Malefizhaus. Ich war bei Junius. Sie haben ihn gefoltert, und er hat ein Geständnis abgelegt. Er ist völlig am Ende und will, dass ich ihm beim nächsten Besuch etwas zum Schreiben hineinschmuggle, damit er sich von seiner Tochter verabschieden kann.« Kircher packte Cornelius am Arm. »Als ich ging, stand das Verhörzimmer offen, die Malefizkommissare waren, so scheint’s, beim Essen. Da lag die Urgicht der Burckhardin offen auf dem Tisch, sie hat ohne Folter gestanden, mit anderen Frauen Hagel und Läuse gemacht zu haben. Unter den Namen war auch der Eurer Mutter. Sie habe auf die Hostie gespuckt. Ihr müsst sie verstecken … «
    Cornelius rannte schon.

    Als er zum Doktorhaus kam, stand ein Karren vor dem Eingang, dicht davor wartete schon eine kleine Menschentraube. Wortlos machten ihm die Leute Platz.
    Er stürmte auf das Haus zu, als auch schon die Tür aufging. Zwei Einholer trugen seine Mutter heraus, der eine hielt die Gelähmte an den Schultern, der andere an den Beinen. Sie hoben sie auf den Karren, vor den ein dürrer grauer Klepper gespannt war. Das Pferd schüttelte unwillig den Kopf und schnoberte, als einer der Stadtknechte den Backenriemen ergriff. Mühsam versuchte Maria Weinmann, sich aufzurichten und streckte ihrem Sohn die Arme hin.
    Cornelius rannte hin, ergriff ihre Hand. »O mein Gott, das ist alles meine Schuld«, flüsterte er.
    Sie strich ihm über das Haar. »Alles, was geschieht, ist der Wille des Allmächtigen, mein lieber Corneli. Du bist auch nur ein Werkzeug Seiner Pläne. Wie wir alle. Wenn Er es will, dann gehe ich jetzt zu deinem Vater, der wartet schon lang auf mich.«
    Cornelius atmete gepresst und stoßweise, um nicht vor allen Leuten weinen zu müssen. Er sah seine Mutter an und wusste, es war das letzte Mal. Das Pferd zog an, und er blieb mit hängenden Armen zurück.
    Plötzlich stolperte die alte Lisbeth an ihm vorbei, kämpfte sich mit Füßen und Ellbogen durch die Menge der Gaffer und rannte mit gerafften Röcken auf den Karren zu. Cornelius glaubte zu erkennen, dass die Magd seiner Mutter etwas in die Hand drückte, bevor auch sie nicht mehr mit dem trabenden Ross Schritt halten konnte. Und dann hörte er hinter sich eine leise Stimme. »Doktor, dies war eine letzte Warnung«, zischte es. »Nein, dreht Euch nicht um. Geht nicht weiter auf dem Weg, den Ihr eingeschlagen habt, wenn Euch Euer Leben lieb ist. Noch hält der Fürstbischof seine Hand aus Dankbarkeit über Euch, aber seine Nachsicht hat Grenzen … «
    Mit einem Ruck fuhr Cornelius herum, doch er sah nur noch eine Gestalt im dunklen Kapuzenmantel, die sich ihren Weg durch die Leute bahnte und hinter der nächsten Ecke verschwand. Auch die Zuschauer verliefen sich, und so ging er mit schweren Schritten ins Haus.
    Lisbeth kam ihm nach und umarmte ihn schluchzend. Tränen liefen über ihre runzligen Wangen.
    »Was hast du ihr gegeben?«, fragte er mit rauer Stimme.
    »Arsenik. Sie wollte es so.«
    Er nickte. »Es ist gut, Lisbeth. Es ist gut.«

    Zwei Tage später kam die Nachricht, die Maria Weinmännin sei morte natura in der Haft gestorben.

Malefizhaus, Januar 1630
    Es war mitten in der Nacht. Abdias Wolff lag frierend auf der dünnen Strohschicht in der Ecke seiner Zelle und konnte keinen Schlaf finden. Er hatte das Zeitgefühl schon lange verloren, orientierte sich nur am Sonnenauf- und Sonnenuntergang, wenn das bisschen Licht, das sein winziges Gucklochfenster durchließ, entweder kam oder ging.
    Wolff horchte auf jedes Geräusch. Das unterdrückte Stöhnen oder Schnarchen aus den anderen Zellen, das Ticken des Holzwurms im alten Stock mit den vier Löchern, der bedrohlich neben der Tür in seiner Zelle stand, die schweren Schritte der Wächter auf ihren Kontrollgängen. Bis gestern hatte er noch mit zwei anderen Delinquenten seine Gefangenschaft geteilt, doch dann hatte man die beiden geholt und nicht mehr wiedergebracht. Auf seine Fragen nach ihrem Verbleib hatte er keine Antwort bekommen. Nun war er allein. Es war furchtbar, so allein zu sein. Die Angst hatte sich in Gesellschaft besser ertragen lassen, jetzt saß sie auf ihm wie ein Alb.
    Noch hatten sie ihn nicht gefoltert. Nur die Suche nach dem Stigma Diabolicum hatte er über sich ergehen lassen müssen, das Scheren, das demütigende Betasten und

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