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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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kleinen Tischchen lag, und hielt es Kircher hin. Es war ein zylindrisches Stück Glas, ähnlich den Vergrößerungsgläsern, die man statt einer Brille zum Lesen benutzen konnte. Darin erkannte Kircher eine schwarze Fliege, die in der durchsichtigen Masse eingeschlossen war.
    »Nun, mein Freund, was ist das wohl?« Tanner lächelte.
    »Ein Sehglas oder Briefbeschwerer mit einer Fliege darin.«
    »Seid ihr sicher?«
    Kircher wusste nicht, worauf der Professor hinauswollte. »Ja, natürlich.«
    Tanner hielt das Glas immer noch in der Hand. »Seht ihr, es gibt Menschen, die der Meinung sind, dies sei keine gewöhnliche Fliege, sondern ein Glasteufel, den ich durch Zauber in die feste Materie eingeschlossen habe. Was würdet Ihr diesen Menschen sagen?«
    Kircher überlegte. »Dass die Fliege vermutlich beim Blasen in die heiße Glasmasse hineingeflogen ist. So etwas kommt öfters vor. Alles andere ist doch Unsinn.«
    »Gut. Und wenn ich Euch nun sage, dass man schon versucht hat, mich wegen dieses ›Glasteufels‹ bei der Inquisition anzuklagen? Würdet Ihr mich, wenn es zu solch einer Anklage käme, verteidigen?«
    Kircher zögerte keinen Augenblick. »Das ist doch selbstverständlich.«
    »Weil Ihr überzeugt seid, dass ich unschuldig bin.«
    »Ja.«
    »Nun, Pater Kircher, dann dürft Ihr, wenn Ihr von der Unschuld einer vermeintlichen Hexe überzeugt seid, auch da nicht schweigen. Euer Gewissen verbietet Euch, solches Unrecht zu dulden.«
    Kircher atmete tief durch. »Ich danke Euch, Bruder. Genau deshalb bin ich hier. Ich meine, dass die Gesellschaft Jesu geradezu die Pflicht hat, sich gegen diese unrechtmäßigen Verfolgungen auszusprechen.«
    Tanner nickte. »Ihr seid nicht der Einzige in unserem Orden, der dieser Meinung ist.« Mit einem Ächzen stemmte sich der Alte mühsam aus seinem Sessel hoch und schlurfte mit kleinen Schritten zu seinem Schreibtisch. »Kennt Ihr Bruder Friedrich Spee? Zur Zeit lehrt er im Kolleg Paderborn.«
    »Ich habe ihn einmal zu Würzburg getroffen, vor etlichen Jahren. Ein kluger Kopf, ungefähr mein Alter. Wir haben uns damals lange über das Schreiben von Kirchenliedern unterhalten.«
    Tanner pochte mit seinem knochigen Zeigefinger auf einen umfangreichen Pack dichtbeschriebener Seiten, der auf dem Schreibtisch lag. »Auch Bruder Spee hat seine Erfahrungen als Hexenbeichtiger. Und er hat eine Abhandlung über die Praxis der Verfolgungen verfasst, die in ihrer Logik bestechend ist. Nehmt das mit und lest. Danach reden wir weiter.«

    In dieser Nacht ging das Licht in Kirchers Kammer nicht aus. Zuerst hatte er nur kurz in das lateinische Manuskript hineinblättern und es erst am nächsten Morgen durcharbeiten wollen. Doch schon die ersten Sätze, auf die er stieß, fesselten ihn so sehr, dass er nicht mehr aufhören konnte zu lesen. ›Wenn ein Fürst oder eine Obrigkeit den Staat säubern und die Übeltäter verfolgen und hinrichten will‹, stand da, ›so möge man sich nur stets vor der Gefahr in Acht nehmen, dass zugleich auch Unschuldige mit hingerichtet werden. Denn es steht geschrieben ein Gleichnis bei Mattäus 13, 24. Dort fragen die Knechte den Hausvater: Willst du, dass wir hingehen und das Unkraut aufsammeln? Und er antwortet: Nein! Damit ihr nicht etwa, wenn ihr das Unkraut aufsammelt, mit demselben zugleich auch den Weizen ausreißet.‹
    Über dieser Bibelstelle hatte auch Kircher lange gesessen. Ja, die Unschuldsvermutung hatte zu gelten, unbedingt! Er blätterte weiter. ›Sie, die Verhaftete, kann sich ja niemals, wie die Gesetze es haben wollten, durch Überstehen der Tortur reinigen und das ihr einmal angehängte Verbrechen abschütteln. Es wäre beschämend für die Inquisitoren, eine einmal gefangene Person so wieder herauszulassen. Wen sie erst einmal gefangen haben, der muss um jeden Preis schuldig sein.‹ Vor Kirchers Augen tauchten die Malefizkommissare auf, in ihren langen schwarzen Roben. Sie schienen ihm wie Totenvögel. Wie sollte sich eine beschuldigte Hexe gegen diese Männer wehren können? Der Pater las mit heißen Wangen weiter. ›Wenn die Angeklagte so umkommen muss, ob sie ein Geständnis abgelegt hat oder nicht, dann möchte ich um der Liebe Gottes willen wissen, wie hier irgendjemand, er sei noch so unschuldig, soll entrinnen können? Unglückliche, was hast du gehofft? Warum hast du dich nicht gleich beim ersten Betreten des Kerkers für schuldig erklärt? Törichtes, verblendetes Weib, warum willst du den Tod so viele Male erleiden, wo du es

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