Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
dürfte, sich in Zukunft zurückzuhalten.«
Kircher atmete hörbar aus, barg das Gesicht in den Händen und sprach ein kurzes, stummes Dankgebet. Währenddessen stand Vitelleschi auf und holte das päpstliche Mandat, einen großen, versiegelten Brief, der in einem Lederumschlag steckte.
»Nehmt«, sagte er, »und überbringt es selbst. Ich gebe Euch zwei junge Mitbrüder als Begleitung mit, und kräftige Pferde.«
»Ich werde mich gleich morgen früh auf den Weg machen.« Fast ehrfürchtig griff Kircher nach dem Schriftstück und steckte es unter seine Kutte. Vitelleschi sah mit zufriedener Miene zu. Er hatte getan, was er konnte, und erreicht, was möglich war. »Und noch etwas«, lächelte er. »Das Manuskript unseres Bruders Spee – mir persönlich hat es die Augen geöffnet, und ich würde mir wünschen, dass es anderen genauso geht. Die Gesellschaft Jesu kann sich nun zwar dem Wunsch des Sant’Offitio nicht entziehen, die Einheit der römisch-katholischen Kirche in Deutschland um jeden Preis zu bewahren. Jedoch, so meine ich«, er kratzte sich am glattrasierten Kinn und musterte nachdenklich die Blumenfresken an der Zimmerdecke, »soll es schon öfters vorgekommen sein, dass Schriften auf unbekannten Wegen und anonym veröffentlicht wurden … Nun, wie dem auch sei, ich wünsche Euch viel Glück für die Heimreise, Bruder. Geht mit Gott.«
Kircher fing sofort an, seine wenigen Habseligkeiten zu packen. Jetzt blieb nur noch, so schnell wie möglich den Weg über die Alpen zurückzulegen. Es war Frühsommer, die beste Zeit, über den Brenner zu ziehen. Petrus Kircher war zuversichtlich: Er würde es rechtzeitig schaffen!
Am späten Nachmittag gönnte er sich einen letzten Spaziergang nach Il Gesú. Es war ihm zur Gewohnheit geworden, immer vor dem Abendessen in einer der Seitenkapellen ein Gebet zu sprechen und um den Erfolg seiner Mission zu bitten. Meistens hatte er dabei seinen Freund Maximus Witt getroffen, der die Kirche ganz offensichtlich ebenso liebte wie er selbst.
Auch diesmal war Witt da. Er stand vor dem Bildnis der Madonna della Strada, die Hände andächtig zum Gebet gefaltet. Ernst blickten die Gottesmutter und ihr Kind auf den großen, schwarzgekleideten Jesuiten herab, es schien, als ob das Jesulein den Mann mit seiner erhobenen Rechten segnen wollte. Kircher gesellte sich dazu, und schweigend versanken sie in ihre Andacht.
»Ja, mein Freund«, sagte Pater Kircher, als sie später gemeinsam die Kirche verließen, »morgen ist es endlich so weit. Meine Mission hier ist beendet; ich reise heim.«
Lorenz Stürmer zuckte unmerklich zusammen. Er wusste, dass Kircher mit dem Papst zusammengetroffen war – Spada hatte es ihm schäumend vor Wut berichtet. Aber der Kardinal war auch überzeugt davon gewesen, dass Kircher mit seinem Anliegen scheitern würde. Schließlich hatten die Sacra Rota und das Sant’-Offitio eine Einmischung in deutsche Angelegenheiten abgelehnt. Und jetzt wollte Kircher so plötzlich nach Hause?
Stürmer setzte eine betroffene Miene auf. »Habt Ihr aufgegeben?«, fragte er.
»Aber nein, Bruder.« Pater Kircher breitete vor Erleichterung die Arme aus und lachte. »Ich habe ein päpstliches Mandat, deo gratias! Es tadelt zwar nicht die Inquisitionsprozesse im Allgemeinen, aber es wird den Bamberger Fürstbischof wohl dazu zwingen, die Hexenverfolgungen bald einzustellen. Und es wird das Leben der Dorothea Flock retten. Ich muss nur rechtzeitig heimkommen. Deshalb reite ich morgen schon in aller Frühe los.«
In Stürmers Hirn arbeitete es.
Kircher sah das Stirnrunzeln seines Freundes und legte ihm die Hand auf den Unterarm. »Was ist mit Euch, Bruder Maximus? Freut Ihr Euch nicht mit mir?«
Stürmer wehrte ab. »Oh, doch, natürlich! Aber ich bin auch ein wenig traurig, dass Ihr abreist. Schließlich sind wir in den letzten Wochen doch gute Freunde geworden.«
Kircher nickte. »Das ist wahr. Deshalb wollte ich Euch fragen, ob Ihr nicht den letzten Abend in Rom gemeinsam mit mir und einer guten Flasche Wein verbringen möchtet?«
»Mit Vergnügen.« Stürmer nahm nur allzu gern an. »Ich muss nur vorher noch eine Kleinigkeit erledigen. Wenn es Euch recht ist, komme ich, sagen wir, in einer Stunde zum Collegium Germanicum und hole Euch ab.«
Sie schüttelten sich kurz die Hände, und während sich Kircher auf den Heimweg machte, ging Stürmer eilig in die andere Richtung davon.
Zehn Minuten später erreichte er den Palazzo Spada und ließ sich
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