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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Oberschultheiß den Stab. Von den Verurteilten hatte keiner die Kraft, sich zu verteidigen. Nur zwei von ihnen, die Rieglin und die Kreuselmännin, baten mit leiser Stimme und stockenden Worten um Gnade, die ihnen verweigert wurde.

    Inzwischen hatte der Henker noch einmal die Brandstatt inspiziert. Georg Leykam war ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mit eigenartig melancholischen Gesichtszügen und so stark gekrümmten Beinen, dass man hätte eine Sau durchtreiben können. Seit langen Jahren diente er der Stadt schon als Scharfrichter. Sein Geschick mit dem Schwert war weithin bekannt, genauso wie seine Vorliebe für das Rauchbier vom Sand und gutes Essen. Wegen seines traurigen Gesichtsausdrucks schloss das übermütige Jungvolk bei jeder Hinrichtung Wetten darauf ab, dass er diesmal in Tränen ausbrechen würde, was allerdings noch nie geschehen war.
    Heute trug Leykam ein dunkles, enganliegendes Gewand und nicht den traditionellen roten Umhang seines Berufsstandes – schließlich würde diesmal kein Blut fließen. Er schleppte mehrere Pechkränze herbei und legte sie am Holzstoß ab. Durch den Regen in der Nacht war das Holz wieder feucht geworden, was ihm nun doch Kopfzerbrechen bereitete. »Hol Pulver und Schwefel«, befahl er seinem halbwüchsigen Sohn, der ihm zur Hand ging. »Und Stroh.«
    Derweil brachten die Stadtknechte einen Todeskandidaten nach dem anderen zum Scheiterhaufen. Eine der Frauen weinte immer noch verzweifelt, die anderen blieben stumm und wehrten sich nicht. Als Letzter kam Valentin Holtzmann an die Reihe, ein Viehknecht in mittleren Jahren, von dem alle wussten, dass er einfältig war wie ein kleines Kind. Bisher war er mit seinen zerquetschten Füßen nicht in der Lage gewesen zu gehen und hatte auch nicht den Eindruck gemacht, zu verstehen, was um ihn herum vorging. Jetzt allerdings, als ihn die Knechte ergriffen und wegzuschleifen begannen, hob er ruckartig den Kopf und sah sich mit wildem Blick um. Er erkannte die Brandstatt, bemerkte den Henker, sah die vier Frauen, die bereits angekettet auf dem Holzstoß kauerten. Der Knecht öffnete den Mund und begann zu schreien. Er kreischte, brüllte, heulte und wimmerte mit einer Stimme, die vor Angst kaum mehr menschlich klang. Er wehrte sich mit unbändiger Kraft gegen seine Peiniger, die noch zwei Männer zu Hilfe rufen mussten, um den Tobenden auf die Brandstatt zu zwingen und ihn an einen der Pfähle anzuschmieden.
    Die Menge johlte, und ein paar Steine flogen. »Da seht ihr, wie sich der Teufel zur Wehr setzt, wenn’s ans Brennen und Schmoren geht!«, rief einer.
    »Er hat’s mit einer Kuh getrieben!«, raunte der schmierige Türhüter vom Franzosenhaus, der direkt hinter Johanna stand, in ihr Ohr.
    »Dummes Zeug. Der Valtin ist so blöd, der weiß doch gar nicht wie’s geht!« Das war Abdias Wolff, der sich inzwischen zu ihnen ganz nach vorne gedrängt hatte. »Halt dein großes Maul, Schorsch, sonst schwirren die Fliegen hinein.«
    Johanna warf ihrem Vater einen dankbaren Blick zu. »Hoffentlich brennt’s gut«, sagte der mehr zu sich selbst. »Sonst wird’s ein langsamer Tod.« Sie schauderte.
    Inzwischen hatte der Scharfrichter die Pechkränze zwischen den Angeketteten verteilt und Strohbüschel gegen ihre Leiber gelehnt. Jetzt schüttete er Schwefel und Pulver über ihre Köpfe. Der Knecht schrie immer noch, bis ihm schließlich die heisere Stimme versagte. Er sank an seinem Pfahl herab und ließ den Kopf auf die Brust fallen.

    Bis zu diesem Augenblick hatte Pater Kircher hinter dem Holzstoß gewartet. Nun trat er vor. Er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, tiefe Ringe lagen unter seinen Augen. Aber als Hexenbeichtiger – ein Amt, um das er nicht gebeten hatte – war es seine Pflicht, den Delinquenten nicht nur während der Folter und Haft beizustehen, sondern auch bei ihrem letzten Gang. Geistlicher Zuspruch war das Einzige, was er den Sterbenden jetzt noch geben konnte. Er hob seinen Stab, an dessen Spitze sich ein geschnitztes Kruzifix befand.
    »Wollt ihr«, fragte er mit ruhiger Stimme, »die ihr durch euer Geständnis dem Teufel entsagt habt, nun sterben wie gute Christenmenschen?«
    Zustimmende Laute kamen vom Scheiterhaufen. Nur der Knecht rührte sich nicht mehr und blieb stumm.
    »Wahrlich, so verspreche ich euch armen Sündern, dass der Allmächtige ein Einsehen haben wird mit euch, wie er auch den schlimmsten Übeltätern auf dieser Welt immer verziehen hat. Ihr seid furchtbar in die Irre gegangen.

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