Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Gemeinwesen verderben mit seinen schändlichen Hilfstruppen, die er mitten unter uns wirbt. Drudner und Unholden greifen uns an, ja, uns alle, die wir ein gottgefälliges Leben führen! Sie vernichten unsere Ernten, machen das Vieh krank, lassen Jung und Alt dahinsterben. Sie verführen uns zum Bösen, höhnen unserem Herrn Jesu Christ, nehmen uns das Unsrige. Dem Teufel zu Ehren töten sie in grausamer und schändlicher Weise die eigenen und fremde Kinder und überreichen sie ihm. Wehe, wer ihnen zum Opfer fällt!« Förner tupfte sich mit einem Tüchlein über die Stirn. Dann senkte er die Stimme.
»Viele mögen sich fragen: Warum greift der Teufel gerade hier zu Bamberg an, dem gottesfürchtigsten und frömmsten Bistum des ganzen Landes? Warum wütet er nicht da, wo die fehlgläubigen Protestanten sind, zu Nürnberg oder anderswo? Meine Kinder, die Antwort ist ganz einfach. Die Protestanten, die vom wahren Glauben abtrünnig sind, ja, die gehören dem Satan sowieso! Zu Nürnberg, Bayreuth oder Ansbach braucht er sein Unwesen deshalb nicht zu treiben. Aber gerade dort, wo die Menschen am heiligmäßigsten sind, da will er seine schändliche Verschwörung anzetteln. Da will er die Weiber verführen, auf dass sie ihre frommen Nachbarn mit Maleficium heimsuchen, mit Krankheit und Tod!« Förner befeuchtete Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand mit der Zunge und blätterte um.
»Viele mögen sich nun weiters fragen: Warum greift der Teufel gerade jetzt an, in diesen Tagen, zu dieser Stunde? Auch hier ist die Antwort leicht: Unser Land befindet sich im Krieg. Die Anhänger des rechten Glaubens kämpfen mit Habsburg um das Ihre, während die schlechten, ungläubigen Protestanten mit Feuer und Schwert versuchen, das wahre Christentum zu vernichten. In dieser Zeit, da es an allen Ecken brennt, da Angst, Unruhe, Verwirrung herrschen, glaubt der Teufel, leichtes Spiel zu haben. Deshalb sind seine Kreaturen, die gräulichen Hexen, nun mitten unter uns! Und wir müssen uns gegen sie wehren, auf dass der Satan nicht die Oberhand gewinne über uns und wir alle der ewigen Verdammnis anheimfallen! Ja, meine Kinder, es ist ein heiliger Kampf, den wir ausfechten müssen!«
Die Menschen hingen an Förners Mund. Es war so still in der Kirche, dass man das leise Knistern der brennenden Altarkerzen hören konnte. Der Weihbischof ließ zufrieden seinen Blick über die gebannt zu ihm aufblickende Gemeinde schweifen. Dann sprach er weiter.
»Darum rufe ich euch zu: Lasset die Zauberer nicht am Leben. Mit Feuer und Schwert muss diese entsetzliche Pest ausgerottet werden. Ausgerissen muss dieses Unkraut werden, dass es nicht emporschieße in übergroßer Fruchtbarkeit. Aufgeräumt soll werden mit den Gottlosen, dass diese Pest nicht weitergreift. Brennen sollen die Aufrührer Gottes, damit sie nicht das Reich des Teufels auf der Erde verbreiten. Euch allen ist das Schwert anvertraut, dass ihr die gerechte Strafe an den Schuldigen vollziehet; wer ist aber mehr schuldig als der geschworene Feind Gottes? Die Zauberer und Zauberinnen sind alle erklärte und geschworene Feinde Gottes. Und ich sage euch: Die Zauberer lasst nicht leben!«
Irgendjemand rief »Amen!«
»Denn«, so donnerte Förner weiter, »wenn wir nicht größte Härte gegen die Kreaturen des Teufels walten lassen, wenn wir diesen Kampf gegen das Böse nicht gewinnen, dann wird Elend und Vernichtung über uns kommen. Überall wird Blut sein, Blut auf den Straßen, Blut im Fluss, die Leute werden auf Strömen von Blut fahren, auf Seen von Blut, Flüssen von Blut. Zwei Millionen Dämonen werden am Himmel losgelassen und stürzen sich auf uns, unsere Kinder und Kindeskinder! Nirgends wird anderes sein als Furcht und Schrecken, Teufel und Gespenster, Unholden, Hexen, Missgeburten, Erdbeben, Feuerzeichen am Himmel, dreiköpfige Gesichter in den Wolken und so viele andere Zeichen göttlichen Zorns. Alle Laster gehen im Schwang. Erschröckliche Mörder, Giftmischer, Höllenzwinger, Geisterklopfer und dergleichen Gelichters mehr treiben ungescheut ihr Werk und verunehren und schänden das göttliche, geoffenbarte Wort.«
Das Grauen senkte sich auf die Menschen im Dom wie ein bleierner Mantel. Mütter drückten voller Angst ihre Kinder an sich, wildfremde Menschen fassten sich an den Händen. Johanna spürte, wie sich die Härchen an ihren Armen aufrichteten. Ihr schauderte. Jetzt erst wurde ihr bewusst, in welcher Gefahr sie alle schwebten, wie ernst die Lage war. Der Teufel
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