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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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vorbei, die Treppen zu seinem Empfangszimmer hinauf.
    Hexenmandat des Fürstbischofs von Bamberg vom 11.Juni 1627
Vermöge Unserer weltlichen, landesfürstlichen Macht und Unseres obrigkeitlichen Amtes sehen Wir Uns genöthigt, zu gebührender Rechtfertigungk der göttlichen Ehre und wirklicher Ausreutung eines so gräulichen Lasters, wie die Hexerei, welches über die Maßen eingerissen und sich selbst an den Tag gegeben, exemplarische Abstrafung und Execution in Anwendung bringen zu lassen. Dieweiln es viel schädliche und boshafte Manns- und Weibspersonen hohen und niederen Standes gibt, die aus Haß und Neid oder aus lauterem bösen Muthwillen sich mit diesem erschrecklichen Laster befleckt haben; an denen soll ein ernstliches, wohlverdienstes Exempel statuirt werden. Strenge Strafe an Leib und Leben wird Jeden treffen, welcher sich dem Leibhafftigen Satan verschrieben …

Hauptsmoorwald, August 1627
    Johanna schlenderte mit einer geflochtenen Huckelkieze auf dem Rücken und einem Korb in der Hand im Schatten des Waldrands entlang. Es war heiß, sie trug ihr luftigstes Kleid und hatte die Röcke hochgerafft, dass die nackten Waden sichtbar waren. Eigentlich war es nicht nötig, dass sie selbst zum Kräuterholen ging – die Altenburger Kräuterfrau und ein auswärtiger Kräuterkrämer versorgten die Apotheke regelmäßig mit Nachschub –, aber sie liebte es, sich auf die Suche zu begeben und die besten Zweiglein, Blätter, Blüten und Wurzeln mit nach Hause zu bringen. Und es war ja nicht weit, der Hauptsmoorwald mit seinen mächtigen Kiefern reichte bis fast an die Stadt heran. Schon als Kind war sie mit ihrem Vater oft hierher gekommen, und er hatte ihr alles über die einheimischen Heilpflanzen beigebracht, was man wissen musste. Wie sie hießen und aussahen, wo sie wuchsen, welchen Teil der Pflanzen man brauchte und wann man sie am besten pflückte oder ausgrub.
    An diesem Tag war sie in Gesellschaft. Antoni, zu faul um seine Hausaufgaben zu machen, hatte sein Bücherbündel nach der Schule in eine Ecke geschleudert und verkündet, er habe – auf Ehre und Gewissen – nichts zu tun. Und dann hatte sie noch das kleine Mariele mitgenommen, auch wenn ihr Bruder deshalb vielsagend mit den Augen gerollt hatte. Das Mädchen war ihnen unterwegs in der Langen Gasse über den Weg gelaufen, heulend, weil die anderen Kinder sie wieder einmal gehänselt und mit Dreck beworfen hatten. Na komm, hatte Johanna gesagt, putz dir die Nase, dann nehmen wir dich mit zum Kräutersammeln.
    Jetzt lief die Kleine brav neben ihr her, die Augen fest auf den Wiesenrain gerichtet.
    »Schau«, sagte Johanna, »da ist ein schöner Spitzwegerich. Man nennt ihn auch Straßenbraut, weil er am Wegrand wächst. Er reinigt das Blut und ist das Beste, was es gibt, gegen Bienenstiche, Hunde- und Schlangenbisse. Hier, nimm’s Messer und stech ihn aus.«
    Mariele stellte sich geschickt an und legte das Kraut in Johannas Korb. Beim Bücken war ein kleines Säckchen aus ihrem Hemd gerutscht, das an einer Schnur baumelte.
    »Was ist denn das?«, fragte Antoni neugierig.
    »Schreckkörner«, antwortete das Mädchen wichtig und stopfte den Beutel zurück.
    Johanna dachte schmunzelnd daran, dass auch sie die Samen der Pfingstrose als Kind getragen hatte, gegen nächtliches Albdrücken und um vor Schrecken bewahrt zu sein. Es gab ja so vieles, was die abergläubischen Leute sich über Kräuter und ihre Wirkungen erzählten. Die Wegwarte, die sie grade vor sich am Waldrand sah, half angeblich bei der Entdeckung von Dieben: Legte man sie unters Kopfkissen, so erschien einem der Übeltäter im Traum. Auch als Liebeszauber sollte sie gut sein. Allerdings musste man ihre Wurzel dazu an Peter und Paul genau eine Stunde nach Mitternacht ausgraben, mit einem Stück Holz, in das das Donnerwetter hineingeschlagen hat. Johanna musste beinahe lachen. Oder dort drüben, der sattgrüne Farn, dessen Spitzen noch zu kleinen Schnecken eingerollt waren. Es hieß, seine Samen machten ihren Träger unsichtbar – sofern er beim Sammeln eine Kerze angezündet hatte, die an Weihnachten zum Morgengottesdienst gebrannt hat. Neben dem Farn wuchs ein Büschel Vogelknöterich, und Johanna bückte sich, um ein paar Zweiglein des unscheinbaren, kriechenden Krauts abzuschneiden. Es tat gute Dienste bei Lungenhusten und Zuckerkrankheit und hatte zudem eine starke blutstillende Wirkung.
    Derweil waren die beiden Kinder ein Stück weitergegangen. Mariele rannte plötzlich auf einen

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