Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
schwarzglänzenden Käfer tupfte, der hilflos auf dem Rücken lag. Cornelius musste selber schmunzeln, bis er hörte, wie die erste Delinquentin hereingebracht wurde. Mit einem tiefen Atemzug schloss er das Fenster und drehte sich um. Und dann war ihm, als hätte ihn ein Schlag mitten in die Magengrube getroffen.
Da stand Johanna.
Sie sah aus wie ein Geist. Man hatte sie in einen knielangen, flächsernen Kittel gesteckt und ihre Hände mit einer Eisenschelle vor dem Körper gefesselt. Die Haare fielen ihr in wirren, zerzausten Locken über Brust und Rücken, und in ihren Augen stand die blanke Angst. Noch sah sie ihn nicht, denn sie starrte den Malefizkommissar an. Cornelius fror plötzlich, als ob ihn eine kalte Hand anpackte.
Vasold erhob sich von seinem Stuhl und gab dem Wächter ein Zeichen, ihr die Handfesseln abzunehmen. Er sah kurz in seine Aufzeichnungen.
»Johanna Wolffin, ledige Apothekerstochter aus der MohrenApotheke an der Oberen Brücke?«
»Ja.« Ihre Stimme war so leise, dass Cornelius sie kaum hören konnte. Vasold ordnete umständlich seine Unterlagen, nahm einen Schluck vom Most und lehnte sich schließlich in seinem Stuhl bequem nach hinten. Dann bedeutete er Johanna, sich auf den Schemel zu setzen, der mitten im Raum stand. Sie drehte sich um – und ihr Blick fiel auf Cornelius, der immer noch in stummem Entsetzen am Fenster stand. Ihre dunklen Augen weiteten sich, saugten sich an den seinen fest, konnten sich nicht abwenden. Langsam und ohne ein Wort ließ sie sich auf dem Dreibein nieder.
Cornelius war wie betäubt. Johanna! Wie kam sie hierher? Was sollte er tun? Mein Gott, ich kann ihr nicht helfen, dachte er, und sein Herz krampfte sich zusammen. Er brachte es nicht einmal fertig, ihr zuzunicken. Einen Augenblick hielt er ihrem Blick stand, dann schloss er die Lider. Er wusste, was jetzt kam.
Als er die Augen wieder öffnete, stand der Malefizknecht schon hinter ihr, und Johannas Locken fielen lautlos zu Boden. Jedes Schnippen der Schere bereitete Cornelius beinahe körperlichen Schmerz. Er biss die Zähne zusammen und ballte die Fäuste. Ruhig, dachte er, ruhig bleiben. Es hat keinen Sinn. Du kannst ihr nicht helfen. Stumm sah er zu, wie der Knecht erst alle Haare abschnitt, und dann Johannas Kopf mit dem Rasiermesser kahl schor. Sie wehrte sich nicht, nur ihre Hände zitterten so sehr, dass sie sie unter die Achseln schob. Immer noch sah sie unentwegt Cornelius an.
Dann zog der Malefizknecht sie hoch. Ohne Haare sah sie aus wie ein Kind, so klein und verletzlich, so unendlich hilflos. Ihre Augen wirkten riesig in dem schmalen Gesicht. Vasold stand auf und trat zu ihr. Mit einer schnellen Bewegung zog er ihr das Leinenhemd über den Kopf. Sie stöhnte leise auf, dann schlang sie die Arme wie zum Schutz um ihren Oberkörper.
Vasold sah sie mit lüsternem Blick an. Die meisten Hexen boten nicht gerade einen erhebenden Anblick, aber diese hier war jung und hübsch und hatte Brüste wie pralle Äpfel.
»Hört, Jungfer Wolff, es folgt nun die Examination, die Suche nach dem Zeichen, das Euch der Teufel zur Besiegelung eures Paktes aufgedrückt hat. Wollt Ihr Euch die Prozedur ersparen, dann zeigt es uns lieber gleich.«
Johanna hob den Kopf. »Ich habe den Teufel nie getroffen und auch keinen Pakt mit ihm geschlossen. Deshalb kann auch kein Zeichen von ihm an mir sein.«
Der Hexenkommissar fletschte die Zähne und musterte sie lange und genüsslich von oben bis unten. Dann trat er hinter sie. Sie zuckte zusammen und versteifte sich, als er mit dem Zeigefinger prüfend ihr Rückgrat entlangfuhr.
Cornelius machte einen schnellen Schritt auf Vasold zu.
»Das ist meine Aufgabe, Doctor, wenn ich bitten darf. Würdet Ihr wohl zur Seite treten?«
Der Jurist zuckte mit der Schulter, dann machte er Platz.
Cornelius schluckte den Kloß hinunter, der sich in seinem Hals gebildet hatte. Er konnte ihr kein Zeichen geben, keinen Trost. Vorsichtig, wie um sie nicht zu erschrecken, trat er vor sie hin. Sie schaute ihn an, und über ihre Wangen rollten langsam zwei Tränen. Er spürte ihre Scham wie ein glühendes Brennen in der Brust. Ich bin es doch, der sich schämen muss, hätte er am liebsten gerufen, ich mache mich mit diesen Verbrechern gemein. Wie oft hatte er sich schon ausgemalt, wie sie wohl nackt aussah. Hatte davon geträumt, ihre Haut zu berühren, ihren Körper zu liebkosen, ihre Brüste mit seinen Händen zu umfassen. Aber doch nicht so, nicht so. Nicht hier, in diesem Raum.
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